«Wer sich als Stammzellenspender registriert, kann Leben retten, ohne selbst leiden zu müssen», sagt Dr. Urs Schanz anlässlich des Weltblutkrebstages, der am 28. Mai stattfindet. Der Arzt betreut seit 29 Jahren Leukämiepatienten am Unispital Zürich, die sich einer Transplantation unterziehen. Im Interview mit seiner Patientin und FM1-Moderatorin Rosie Hörler spricht der 60-Jährige über Gefahren und Nebenwirkungen einer solchen Transplantation.
Rosie Hörler: Es gibt zwei Arten, Stammzellen zu spenden. Wie sehen diese genau aus?
Urs Schanz: Früher war es üblich, dass einem Kochenmarkspender in einer Operation Knochenmark entnommen wurde. Diese ‹klassische› Methode wurde vor ziemlich genau 60 Jahren eingeführt. Das ist nach wie vor nachvollziehbar, denn die Stammzellen befinden sich ja im Knochenmark. Die Operation geschieht unter Vollnarkose, das Knochenmark entnimmt man dem Becken. Die Nebenwirkungen sind eigentlich relativ gering, man empfindet mehrere Tage nach der Operation noch Schmerzen im Knochen.
Dann gibt es seit rund zwanzig Jahren eine zweite Möglichkeit, Knochenmark zu spenden - ohne eine Operation. Mit einem Medikament, das durch eine Spritze verabreicht wird, gelangen die Stammzellen aus dem Knochen ins Blut. Mit einem Zellseparator, einer Art Zentrifuge, kann man die Stammzellen vom Rest des Bluts trennen und sie dann zur Transplantation verwenden. Die Nebenwirkungen sind auch hier gering, das Medikament kann Gliederschmerzen und grippeähnliche Symptome hervorrufen, sodass man sich schlapp und krank fühlt. Nimmt man das Medikament nicht mehr, gehen auch diese Symptome wieder zurück.
Gibt es für den Spender gesundheitliche Risiken?
Immer, wenn man in der Medizin etwas macht, schwingt ein minimales Risiko mit. Eine Stammzellenspende hat jedoch ein sehr minimes Risiko. Wenn man das Risiko mit dem Alltag vergleicht, ist das Risiko für den Spender wahrscheinlich gleich hoch oder sogar höher, dass er auf dem Weg ins Spital verunfallt, als dass ihm bei der Spende etwas geschieht.
Welche Art zu spenden ist heute mehr verbreitet?
Heutzutage spenden mehr Menschen mit der peripheren Methode, also jener, die mit Spritzen funktioniert. Es gibt allerdings einige wenige Krankheiten, bei denen der Spender sich einer Operation unterziehen muss, weil der Empfänger auf das Knochenmark angewiesen ist.
Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man als Spender infrage kommt?
Grundsätzlich sind es die gleichen Kriterien wie beim Blut spenden. Man muss jung sein, zwischen 18 und 60 Jahre alt dürfen die Spender sein. Damit man als Spender oder Spenderin für eine bestimmte Person infrage kommt, muss man in den wichtigen Gewebemerkmalen zum Patienten passen. Das sind die sogenannten HRA-Merkmale, diese sollten so gut wie möglich übereinstimmen.
Und wie passt man da?
Das hat, nicht wie viele denken, nichts mit der Blutgruppe zu tun, da kommt es auf genetische Merkmale drauf an. Diese Gene sind auf dem 6. Chromosom lokalisiert.
Kann es sein, dass der Empfänger nach einer Transplantation eine neue Blutgruppe hat?
Das ist durchaus möglich, nach der Transplantation hat der Empfänger alle Merkmale des Spenders, von daher wechselt die Blutgruppe und auch alle Blutmerkmale.
Was bedeutet die Stammzellentransplantation für mich als Empfänger?
Die Stammzellentransplantation dient dazu, eine Krankheit, die man ansonsten nur schwer bezwingen kann, zur Heilung zu bringen. Ist eine Transplantation nicht möglich, ist es in den meisten Fällen so, dass ein Patient an seiner Krankheit stirbt.
Es gibt auch Krankheiten, die man durch eine Transplantation besser heilen kann, also dass die Chancen grösser sind, dass der Patient wieder gesund wird. Das kann man aber nicht so genau sagen, man muss immer die individuelle Situation der Patienten betrachten.
Was geschieht, wenn man keinen Spender findet?
Bei den Krankheiten, bei denen es eine gewisse Heilungschance gibt, muss man sich auf die Chemotherapie verlassen. Allerdings ist es heutzutage so, dass man meist einen Spender findet. Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt lassen sich registrieren. Ausserdem hat man in den letzten Jahren herausgefunden, dass Verwandte, die nicht hundert Prozent passen, trotzdem spenden und zur Heilung des Patienten beitragen können. Man hat also viel mehr Spender zur Auswahl als noch vor fünf oder zehn Jahren.
Sie sind seit 29 Jahren in der Transplantationsabteilung tätig. Was reizt Sie an diesem Job?
Eigentlich bin ich durch Zufall hier gelandet, weil damals eine Stelle frei geworden ist. Mittlerweile motiviert mich vor allem, dass man Menschen, die durch Chemotherapie nur noch wenig Chance auf Heilung haben, eine neue Hoffnung gibt. Die schönsten Momente sind natürlich die, wenn ein Mensch geheilt ist und er nach der Transplantation ein normales, medikamentenfreies Leben führen kann.