Warum und wie man am besten Ferien macht

28.06.2019, 10:56 Uhr
· Online seit 28.06.2019, 10:33 Uhr
«Wir ertragen das Nichtstun nicht mehr», meint ein Forscher. Doch Erholung ist nötig. Die Wissenschaft hat viel darüber herausgefunden, wie das am besten geht und wie man möglichst lang vom Urlaub profitiert.
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Sommerzeit, Ferienzeit: Während es für die meisten Menschen dabei um Fragen nach dem perfekten Reiseziel geht, kann auch die Wissenschaft helfen, diese Zeit so erholsam wie möglich zu gestalten. So gibt es zahlreiche Erkenntnisse aus Psychologie und Neurologie zur besten Vorbereitung eines Urlaubs, der idealen Länge und Gestaltung sowie einer sanften Rückkehr in den Arbeitsalltag.

Es ist nicht nur das Wetter, das Lust auf Ferien macht. Das Gefühl geht tiefer. «Wissenschaftlich gesehen würde man eher von einem stärkeren Erschöpfungserleben sprechen», erklärt Johannes Wendsche von der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. «Diese Erschöpfung zeigt sich beispielsweise, indem die Motivation sinkt, man nach der Arbeit mehr Zeit für sich braucht, Probleme im sozialen Leben auftauchen, aber auch in anhaltenden Leistungsschwankungen.»

Ein derartiges Ermüdungserleben werde häufig erst spät bemerkt: «Dabei ist es der letzte Warnschuss des Körpers.» Ohne Erholungspausen würden die Ermüdungserscheinungen kumulieren - mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen. So ergab eine Langzeitstudie der Universität Helsinki von 2018, dass zu wenig Ferien die Sterblichkeit erhöht.

Dabei dürfe man den Urlaub nicht lediglich als Unterbrechung der Arbeitszeit sehen, betont der Neurobiologe und Buchautor Bernd Hufnagl aus Wien. Seit 2004 überprüft sein Team mithilfe von EKG-Untersuchungen die Fähigkeiten von Arbeitnehmern zu entspannen. Dafür sollen sich die Probanden in einen Raum setzen und fünf Minuten aus dem Fenster schauen. «Schon 2004, also noch vor dem Smartphone-Hype, zeigten nur 30 Prozent der Teilnehmer eine Entspannungsreaktion», so Hufnagl. 2018 seien es indes nur noch fünf Prozent gewesen: «Wir ertragen das Nichtstun nicht mehr.»

Doch wie viel Urlaub ist überhaupt nötig, um die beschriebenen Belastungen auszugleichen? Hier ist sich die Wissenschaft uneinig. «Anscheinend macht die Dosis nicht so sehr den Effekt», erklärt Arbeitspsychologe Wendsche. Angesichts der Tatsache, dass der Erholungseffekt nach einem Urlaub spätestens nach ein bis zwei Wochen verpufft sei, deute sich aber an, dass mehrere kürzere Urlaube vorteilhafter seien als ein langer Jahresurlaub.

Und: Auch die Zeit direkt vor den Ferien sei wichtig. «Je höher die Arbeitsbelastung vor dem ersten Urlaubstag, umso geringer die Erholung», fasst Wendsche zusammen. Er empfiehlt daher, sich vor dem Urlaub einfacheren und abschliessbaren Aufgaben zu widmen und genug zu schlafen. Um Stressfaktoren zu reduzieren, rät Wendsche, die Ferienzeit gut vorzubereiten, indem man etwa Tickets vorab buche.

Eine effektive Erholung baut dem sogenannten «Dramma»-Modell zufolge auf sechs Säulen auf: So sollte im Urlaub Gedankenfreiheit (detachment) und Entspannung (recovery) herrschen. Wichtig sei aber auch das Gefühl der Selbstbestimmtheit (autonomy). Weitere Faktoren seien Herausforderung (mastery), indem man etwa eine neue Sportart ausprobiere, und Sinnhaftigkeit (meaning), das Gefühl im Urlaub etwas Sinnvolles zu tun. Nicht zuletzt helfe es, mit Menschen, die man gerne habe, etwas zu unternehmen, da dadurch das Gefühl von Verbundenheit (affiliation) steigt.

Neurobiologe Hufnagl weist zudem darauf hin, dass im Urlaub die Aktivität des Nervus vagus steigt: Je aktiver dieser Hirnnerv sei, umso entspannter werde man. «Dafür muss man sich aber darauf konzentrieren, eben nicht die Arbeit im Kopf zu haben.» Er empfiehlt, gerade im Urlaub auf Details zu achten: «Wie rauscht das Meer? Wie riecht das Essen? Solche Informationen bewusst wahrzunehmen ist wichtig, weil wir im Alltag durch die vielen To-Do’s immer oberflächlicher werden.»

Hufnagl rät zu Kurzurlauben im Alltag: «Planen Sie konkret jeden Tag einen Miniurlaub ein, der nichts mit der Arbeit zu tun hat.» Dieses bewusste Nichtstun schaffe auch neue Kapazitäten: «Im Gehirn gibt es Netzwerke, die nur dann aktiv werden, wenn wir nicht zielgerichtet denken», erklärt der Neurobiologe, der in diesem Zusammenhang von «Tagträumernetzwerken» spricht: «Viele Menschen werden mit dem Tagträumen Probleme haben - aber dennoch sind solche Pausen medizinisch nötig.»

veröffentlicht: 28. Juni 2019 10:33
aktualisiert: 28. Juni 2019 10:56
Quelle: SDA

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