Anschlag in Nizza: Was wir wissen

16.07.2016, 10:15 Uhr
· Online seit 15.07.2016, 10:36 Uhr
Mindestens 84 Menschen sind in Nizza in Südfrankreich getötet worden, als ein Mann am französischen Nationalfeiertag mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge raste. Unter den Toten sind zwei Schweizer Staatsbürger. Viele Fragen sind offen. Ein Überblick:
David Scarano
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WAS WIR WISSEN:

- Gegen 23 Uhr am Donnerstagabend rast ein Mann mit einem Lastwagen in eine feiernde Menschenmenge auf der Flaniermeile Promenade des Anglais. Er kommt zwei Kilometer weit. Die Strasse war für Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag gesperrt.

- Am Steuer des Lastwagens sass ein 31 Jahre alter Mann. Laut abweichenden Informationen der Zeitung «Le Monde» handelt es sich nicht um einen Franko-Tunesier mit Doppelstaatsbürgerschaft, sondern um einen Tunesier mit Wohnsitz in Frankreich. In dem Laster befanden sich eine Kreditkarte, ein Führerschein und ein Mobiltelefon. Die Papiere sind auf den Namen Mohamed Lahouaiej-Bouhlel ausgestellt.

- Die Polizisten hatten mit Hilfe von Fingerabdrücken sichergestellt, dass es sich bei dem getöteten Attentäter tatsächlich um Lahouaiej-Bouhlel handelte. Nach Angaben tunesischer Sicherheitskreise soll er in der tunesischen Stadt Msaken geboren worden sein und sich dort das letzte Mal vor vier Jahren aufgehalten haben.

- Die Polizei tötete den Fahrer. Auf Bildern sind Einschusslöcher in der Windschutzscheibe zu sehen, auf Videoaufnahmen Schüsse zu hören.

- Mindestens 84 Menschen wurden getötet, darunter eine Schweizer Frau und ein Schweizer Kind. Insgesamt sind unter den Opfern zehn Kinder und Jugendliche. 202 Menschen werden noch in Spitälern behandelt, davon sind 50 in Lebensgefahr.

- Den Wagen soll der Täter einige Tage zuvor in der Region Provence-Alpes-Cote d’Azur gemietet haben. Das Fahrzeug habe Bouhlel am 11. Juli gemietet. Er sei allein mit dem Fahrrad gekommen und habe den Laster, den er am 13. Juli zurückbringen sollte, in einem Viertel von Nizza abgestellt. Am 14. Juli sei er gegen 22.30 Uhr aufgetaucht und habe dann den Anschlag verübt. Das Fahrrad sei im Laderaum des Lkws sichergestellt worden, sagte der Staatsanwalt.

- In dem Lastwagen wurden eine funktionsunfähige Granate und Feuerwaffen-Attrappen gefunden. Die französischen Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Fahrer habe mehrmals mit einer Pistole geschossen, bevor er erschossen wurde.

- Derzeit finden in Nizza offenbar mehrere Polizeioperationen statt. Untersucht wurde auch die Wohnung des Attentäters.

- Ein Bekennerschreiben zu dem Anschlag liegt nicht vor. Die Art des Vorgehens entspreche «aber weitestgehend den Mordaufrufen terroristischer Organisationen in Zeitschriften und Videos», sagte der zuständige Staatsanwalt Francois Molins.

- Der Attentäter ist im vergangenen März wegen einer gewaltsamen Auseinandersetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Dabei ging es nach Angaben der französischen Behörden um einen Streit nach einem Verkehrsunfall, bei dem der Mann eine Holzpalette auf seinen Kontrahenten geworfen habe.

- Frankreichs Präsident François Hollande will den Ausnahmezustand in Frankreich, der am 26. Juli hätte enden sollen, um drei Monate verlängern. Kabinett und Parlament sollen kommende Woche darüber beraten. Um nach dem Anschlag von Nizza die Polizei zu entlasten, setzt Frankreich auf Reservisten der Gendarmerie.

- Hollande spricht vom «terroristischen Charakter» der Tat und ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Auch in der Schweiz sind die Flaggen auf halbmast.

- Die Ex-Frau des Attentäters ist offenbar festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht worden. Das berichtete der französische TV-Sender BFMTV.

- Noch hat sich keine Terrororganisation zu der Tat bekannt.

- Angesichts der Ereignisse in Nizza stellt Brasilien das für die am 5. August startenden Olympischen Sommerspiele erstellte Sicherheitskonzept auf den Prüfstand. Verteidigungsminister Raul Jungmann stellte in diesem Zusammenhang gegenüber Radio CBN mehr Kontrollpunkte der Polizei in den Raum.

- Gemäss Medienberichten haben die französischen Behörden am Samstagmorgen im Zusammenhang mit dem Attentat vier Verdächtige festgenommen.

Mittlerweile wurde das Abbild vom Pass des Attentäters veröffentlicht:

WAS WIR NICHT WISSEN:

- Bisher ist nichts über den Hintergrund der Tat bekannt. Präsident Hollande sagte, das ganze Land sei vom islamistischen Terror bedroht. Ob der Täter einen islamistischen Hintergrund hat, ist aber unklar.

- Offen ist auch, ob es sich um einen Einzeltäter handelt. Im Lastwagen war der Mann alleine, über Hintermänner war zunächst nichts bekannt. Hollande sagte, es gebe bisher keine Hinweise auf Komplizen.

 


veröffentlicht: 15. Juli 2016 10:36
aktualisiert: 16. Juli 2016 10:15

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