Verhaltenssteuerung

Diesen Parasiten hast du vielleicht im Gehirn – und er macht dich mutiger

12.12.2022, 10:03 Uhr
· Online seit 09.12.2022, 07:28 Uhr
Bei Wölfen und Mäusen ist es bereits nachgewiesen: Tiere, die vom Toxoplasma-Parasiten befallen sind, neigen zu mehr Mut und Aggressivität. Ob das auch beim Menschen funktioniert, ist noch unklar. Erreger, die das Verhalten anderer Lebewesen verändern können, gibt es aber so einige.
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Bei mit dem Parasiten «Toxoplasma gondii» befallenen Grauwölfen im US-Nationalpark Yellowstone sei ein verändertes Verhalten beobachtet worden, schreibt «SRF». Die betroffenen Raubtiere zeigten mehr Aggressivität als ihre Artgenossen, agierten furchtloser und würden dadurch häufiger zu Leitwölfen in ihren Rudeln. 46 Mal häufiger als nicht infizierte Tiere, um genau zu sein.

Einzeller macht furchtloser

Der Einzeller Toxoplasma niste sich im Gehirn seines Wirts ein und verändere dort dessen Verhalten. Wie genau das abläuft, sei noch wenig erforscht. Klar sei aber: Für den Neuroparasiten ergebe sich dadurch ein wichtiger Vorteil.

Befallene Tiere würden aufgrund ihrer gesteigerten Waghalsigkeit öfters gefressen und hätten auch mehr Kontakt mit Artgenossen, wodurch der Einzeller in neue Wirte gelangen und sich vermehren könne.

Bei Toxoplasma gondii seien das Ziel, die sogenannten Endwirte, Katzen. Insofern überrascht nicht, dass auch bei befallenen Mäusen grössere Furchtlosigkeit beobachtet wurde. Aber auch bei Schimpansen und Hyänen hätten Forschende die Verhaltensänderung festgestellt.

Wirkung beim Menschen wird untersucht

Der Toxoplasma-Erreger ist weit verbreitet – auch beim Menschen. Ein Drittel der Weltbevölkerung trage den Erreger in sich, ohne es zu wissen. In den meisten Fällen würden keine oder nur unauffällige Symptome auftreten. Gefährlich könne es für Embryos und Personen mit einer Immunschwäche werden.

Ob der Parasit auch bei uns zu mehr Risikofreude führt, wird untersucht. Eine Reihe von Studien zeige auch bei Menschen eine höhere Risikobereitschaft. Personen mit dem Erreger bauten öfter Autounfälle, gründeten öfter Start-ups oder hätten eine grössere Neigung zu pathologischem Jähzorn. Es könne auch sein, dass Menschen mit Toxoplasma eine stärkere Neigung zu gefährlichen Sportarten hätten.

Klar belegt sei der Einfluss des Parasiten auf das komplexe menschliche Verhalten allerdings nicht. Studien zeigten bislang lediglich Korrelationen, also gemeinsam auftretende Merkmale, keine kausalen Zusammenhänge.

Neuroparasiten steuern ihre Opfer ins Verderben

In der Tierwelt sieht es anders aus. Der Wissenschaft sind diverse Kleinstlebewesen bekannt, die das Verhalten anderer Arten zu beeinflussen versuchen:

Der Wurm Plagiorhynchus cylindraceus lässt Asseln aus ihren Verstecken herauskrabbeln, sodass sie öfter von Vögeln verspeist werden. In diesen kann sich der Parasit dann vermehren.

Der kleine Leberegel Dicrocoelium dendriticum manipuliert Ameisen so, dass sie sich an den Spitzen von Grashalmen festbeissen, wo sie dann von Schafen oder Kühen gefressen werden, den Endwirten des Parasiten.

Saitenwürmer (Nematomorpha) bringen Grillen dazu, ins Wasser zu springen, obwohl sie gar nicht schwimmen können. Die Würmer können sich dann dort vermehren.

Das Insekt Xenos vesparum befällt die in Europa beheimatete Gallische Feldwespe. Das Insekt ändert darauf sein Verhalten und trifft sich mit anderen infizierten Wespen. Dieser Ort dient als Paarungsplatz für die Parasiten.

Baculoviridae bringen Schwammspinner dazu, auf Baumspitzen zu klettern. Dort angekommen, löst sich der Körper der Raupe einfach auf und die Viren regnen auf die Baumblätter herab, um dort auf das nächste Wirtstier zu warten.

Mit Kratzwürmern (Acanthocephala) infizierte Wassertiere schwimmen zur Wasseroberfläche und präsentieren sich dort hungrigen Vögeln. Für den Parasiten ist das praktisch, denn er braucht den Vogel als Wirtstier, um sich weiterentwickeln zu können.

(osc)

veröffentlicht: 9. Dezember 2022 07:28
aktualisiert: 12. Dezember 2022 10:03
Quelle: Today-Zentralredaktion

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