«Diskriminierung ist ein Hauptproblem»

01.12.2015, 14:33 Uhr
· Online seit 01.12.2015, 11:29 Uhr
Heute ist Welt Aids Tag. Weltweit gehen die Ansteckungen zwar zurück, aber gerade in Europa war der Stand 2014 auf einem Rekordhoch. Warum, erklärt die Aids-Fachstelle der Stadt St.Gallen.
Leila Akbarzada
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Am World Aids Day machen unter anderem Prominente auf Aids und HIV aufmerksam, wie beispielsweise Scarlett Johansson in diesem Video.

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Posted by (RED) on Montag, 30. November 2015

 

Trotz zahlreicher Kampagnen - nicht nur von Promis -  ist die Zahl der HIV-Ansteckungen in Europa angestiegen. Im Jahr 2014 hat sie gar ein Rekordhoch erreicht: Über 140'000 Neuerkrankungen wurden 2014 registriert. Dabei handelt es sich um spezifische Teile des Kontinents, wie Myshelle Baeriswyl von der Fachstelle für Aids- und Sexualfragen in St.Gallen weiss. «Europa stimmt nicht ganz, es handelt sich vor allem um Osteuropa.»

Die Zahlen dort seien explodiert und schon in den letzten Jahren immer angestiegen. «Es betrifft Russland, Bulgarien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Seit 2005 haben sich die Infektionen in diesem Raum verdoppelt. Das ist ein gegenläufiger Trend», sagt die Expertin. «Selbst in den Hochprävalenz-Ländern in der Subsahara sind die Ansteckungen zurückgegangen.»

Hauptproblem Diskriminierung

Gründe dafür gebe es verschiedene. Wie in der Schweiz früher stecken sich viele über unreine Spritzen im Drogenmilieu an. «In Osteuropa ist der Drogengebrauch sehr verpönt, dadurch werden auch keine Spritzen abgegeben. Die Leute haben keine Behandlungsmöglichkeiten und können keine Ärzte konsultieren», sagt Baeriswyl.

Das zweite Problem ist die Diskriminierung von homosexuellen Männern, und diese beschränkt sich nicht nur auf Osteuropa. In vielen Ländern, auch in der Schweiz, werden HIV-Infizierte noch immer diskriminiert. «Der Kampf gegen Aids/HIV war und ist immer auch ein Kampf gegen die Dikriminierung bestimmter Menschen», sagt Baeriswyl. Hinter dem Rücken von HIV-Positiven werde getuschtelt, man gehe ihnen aus dem Weg, vermeide Nähe. Zahnärzte verwehrten gar die Behandlung.

Rückgang in der Schweiz

In der Schweiz jedoch sind die Zahlen rückläufig: Die Labors meldeten 519 Neuinfektionen in der Schweiz im Jahr 2014. Das ist ein Rückgang von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl liegt damit sogar deutlich unter dem Tiefstand von 1999. «Der Verlauf der letzten zwei, drei Jahre ist zufriedenstellend», sagt Baeriswyl. «Die Zahlen sind zwar noch nicht am Ziel, denn wir wollen runter auf 300 oder 350 Neuansteckungen bzw. Diagnosen jährlich, aber wir kommen Jahr zu Jahr dieser Zielvorstellung näher.»

Gelegentliches Hochrisiko ist gefährlich

Laut Baeriswyl gehen circa 42 Prozent der Neu-Ansteckungen auf heterosexuelle Kontakte, 57 Prozent auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurück. «Dort kommen wir mit unseren Botschaften nicht hin. Das sind nicht explizit Schwule, sondern Männer, die gelegentlich ein Hochrisiko eingehen.» Das können laut der Expertin auch verheiratete Männer sein. «Diese stecken dann zu Hause ihre Partnerinnen an.»

Sorglosigkeit fördert Ansteckungen

Seit 2009 hat sich der Anteil von Homosexuellen, die angaben, bei Gelegenheitspartnern nicht immer ein Kondom zu benutzen, von rund 5 auf 15 Prozent verdreifacht. Jeder dritte heterosexuelle HIV-Infizierte hat beim Sex mit festem Partner auf einen Gummi verzichtet. 2009 war es noch jeder Fünfte gewesen. Laut der Meinung von Forschern, die auch Baeriswyl teilt, hat sich eine gewisse Sorglosigkeit in der Gesellschaft breit gemacht. Denn heutzutage ist die Krankheit nicht mehr tödlich. Man kann die Krankheit mit einer Therapie unter Kontrolle halten. «Man vergisst aber, dass dies eine lebenslange Therapie ist, die auch kostspielig ist und Nebenwirkungen mit sich bringen kann», sagt Baeriswyl.

Prävention in urbanen Gebieten

Die Präventionsarbeit konzentriert sich auf die Städte mit den Checkpoints Zürich und Lausanne. «In der Ostschweiz gibt es keine Auffälligkeiten», sagt Baeriswyl. Genaue Zahlen gebe es nicht. Man ist in der Region vor allem auf Rastplätzen aktiv und macht mit Plakaten auf die Gefahr von HIV aufmerksam. «Fast 60 Prozent der Ansteckungen sind von Männern zu Männern, die sich hauptsächlich in der Anonymität der Städte bewegen. In der Ostschweiz gibt es keine richtige Schwulenszene.»

In der Schweiz leben momentan 25'000 Menschen mit HIV. Seit Beginn der Erfassung im Jahre 1985 bis Ende 2015 sind laut der Aids-Hilfe Schweiz 34'465 positive HIV-Testresultate eingegangen. Weltweit leben knapp 40 Millionen Menschen  mit HIV. 2014 haben sich weltweit 2 Millionen Menschen neu angesteckt, das sind rund 100'000 Fälle weniger als im Vorjahr.

veröffentlicht: 1. Dezember 2015 11:29
aktualisiert: 1. Dezember 2015 14:33
Quelle: lak

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