Die Debatte zeigte die fundamentalen Unterschiede zwischen dem gemässigten Favoriten Biden und den progressiven linken Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Der Schlagabtausch verlief aber weit weniger konfrontativ als die vorherige: Biden war einzelnen Angriffen der Konkurrenz ausgesetzt, geriet aber weit weniger unter Druck als noch bei der zweiten Debattenrunde Ende Juli in Detroit. Insgesamt richteten die Demokraten ihre Attacken in Houston mehr gegen Trump als gegeneinander.
Anders als bei den vorherigen beiden Runden gab es diesmal nur einen Abend, an dem alle zehn Demokraten, die sich für die Debatte qualifiziert hatten, gemeinsam auf der Bühne standen. In Houston trafen damit alle Präsidentschaftsanwärter mit den bislang besten Chancen auf eine Kandidatur direkt aufeinander. Für Biden und Warren war es die erste Konfrontation auf der Fernsehbühne. Der Sieger des parteiinternen Auswahlverfahrens soll 2020 den republikanischen Präsidenten Donald Trump aus dem Amt drängen.
Während Biden in den vergangenen Wochen bei öffentlichen Auftritten geschwächelt und mit einigen Versprechern und Unsicherheiten Schlagzeilen gemacht hatte, wurde Warren zuletzt in Umfragen zusehends stärker und rückte immer näher an ihn heran. Biden, Sanders und sie sind die führende Dreier-Gruppe in Umfragen - mit einigem Abstand zu den anderen Bewerbern.
Streit um Krankenversicherung
Mit Spannung war erwartet worden, ob Warren ihr erstes grosses Aufeinandertreffen mit Biden für direkte Attacken nutzen würde. Die 70-Jährige verzichtete darauf jedoch und versuchte vor allem, die inhaltlichen Unterschiede zu Biden herauszustellen - unter anderem in der Gesundheitspolitik. Warren und Sanders verteidigten leidenschaftlich das Konzept von «Medicare for All», also einem Ausbau der staatlichen Krankenversicherung für alle. Hier war Biden jedoch selbst angriffslustig und warf den beiden unter anderem vor, ihre Pläne seien nicht finanzierbar. Auch andere moderatere Demokraten sprachen sich für weniger weitgehende Änderungen aus.
Der frühere US-Wohnungsbauminister Julian Castro griff Biden scharf an. Er warf Biden vor, er habe seine Position bei der Gesundheitspolitik bei einem Detail innerhalb von zwei Minuten komplett geändert. Castro fragte Biden, ob er etwa vergessen habe, was er zwei Minuten zuvor gesagt habe - was als Seitenhieb auf Bidens Alter zu verstehen war. Biden gehört mit 76 Jahren zu den ältesten Präsidentschaftsbewerbern der Demokraten.
Auch beim Thema Migrationspolitik war Biden erneut Kritik ausgesetzt. Auf die Frage, ob er Massenabschiebungen in der Amtszeit des damaligen Präsidenten Barack Obama im Nachhinein für einen Fehler halte, sagte Biden, er sei Vize-Präsident und nicht Präsident gewesen. Castro warf seinem Parteikollegen daraufhin vor, er könne sich nicht einerseits für die Obama-Jahre rühmen und andererseits bei unbequemen Themen von damals wegducken. Mit dieser Kritik war Biden bereits bei der zweiten Runde der TV-Debatten in Detroit Ende Juli konfrontiert worden.
Biden und Warren für Afghanistan-Abzug
In der Aussenpolitik nannte Biden einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan als eines seiner Vorhaben. «Wir brauchen diese Soldaten dort nicht. Ich würde sie nach Hause holen», sagte er. Biden führte allerdings nicht aus, ob er zur Ermöglichung dieses Truppenabzugs auf Verhandlungen mit den radikalislamischen Taliban setzen würde, wie dies Präsident Donald Trump seit dem vergangenen Jahr getan hatte. Trump hatte diese Verhandlungen dann am vergangenen Wochenende allerdings abrupt abgebrochen. Er begründete dies mit einem Taliban-Anschlag in Kabul, zu dessen Todesopfern ein US-Soldat zählte.
Senatorin Elizabeth Warren sagte, dass sie die US-Truppen auch ohne Vereinbarung mit den Taliban abziehen würde. Der US-Militäreinsatz in Afghanistan nutze weder der Sicherheit der USA noch Afghanistans noch der Welt. «Wir können von unserem Militär nicht verlangen, dass es Probleme löst, die nicht militärisch gelöst werden können», betonte sie.
Der frühere Kongressabgeordnete Beto O'Rourke, der aus El Paso in Texas kommt, wo ein Schütze Anfang August ein regelrechtes Blutbad anrichtete, hatte in Houston einen starken Moment, als er leidenschaftlich für ein Verbot von Kriegswaffen warb. Vergleichsweise blass blieb dagegen die Senatorin Kamala Harris, die in ihrer Kampagne stark losgelegt hatte, in Umfragen aber zuletzt zunehmend hinter Warren und Sanders zurückfiel.
Trump tippt auf Biden
Vor der TV-Debatte hatte sich US-Präsident Donald Trump mit einer Prognose eingeschaltet. Er rechne damit, dass er 2020 gegen Ex-Vizepräsident Joe Biden, Senatorin Elizabeth Warren oder Senator Bernie Sanders antritt. «Es wird einer (eine) von diesen dreien werden», orakelte Trump im Kurznachrichtendienst Twitter. Konkret vertrat er die Einschätzung, dass sich voraussichtlich Biden durchsetzen werde. Voraussetzung sei allerdings, dass der Ex-Vizepräsident «keine grösseren Fehler macht».
Die Demokraten stehen generell vor der Frage, mit welchem Kurs sie bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen den Amtsinhaber Trump ins Rennen gehen wollen. Trump will für eine zweite Amtszeit antreten und versucht, die Demokraten als eine Truppe radikaler und gefährlicher Sozialisten darzustellen. Bei einer Rede vor Republikanern in Baltimore sagte Trump am Donnerstagabend zeitgleich zur Fernsehdebatte, die Demokraten seien «miese Politiker». Einmal an der Macht würden sie vieles von dem zerstören, was die Republikaner erreicht hätten, warnte er.
Mehrere Demokraten warfen dem Präsidenten in Houston wiederum offen Rassismus vor. «Wir haben einen Rechtsextremen im Weissen Haus», sagte der frühere texanische Kongressabgeordnete Beto O'Rourke. Der Senator von New Jersey, Cory Booker, sagte: «Wir wissen, dass Donald Trump ein Rassist ist.»
Die Fernsehdebatten sind Teil der Vor-Vorauswahl bei den Demokraten. Die nächste TV-Debatte steht Mitte Oktober an. Bis es so richtig losgeht, ist es aber noch lange hin: Die eigentlichen parteiinternen Vorwahlen, bei denen die Demokraten ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl im November 2020 festlegen, beginnen erst im Februar.