Ein Land lernt das Lächeln

Drei Jahre haben die meisten Japanerinnen und Japaner Nase und Mund hinter einer Maske versteckt. Seit die Empfehlung nicht mehr gilt, wird wieder Gesicht gezeigt. Und plötzlich merken ein paar Leute, dass ihr Lächeln ein bisschen eingerostet ist.

Das ist die Chance für Keiko Kawano. Sie ist Coach bei der «Lächel-Ausbildungsstätte» Egaoiku. Seit Februar seien die Anfragen für Lächel-Kurse markant gestiegen, sagt sie gegenüber der Zeitung «Asahi Shimbun».

Kontrolle vor dem Spiegel

Kawano sagt: «Die Bewegung und Entspannung der Gesichtsmuskeln ist der Schlüssel zu einem guten Lächeln.» Vor allem bei Frauen sind die Kurse beliebt. Wichtig dabei sei, dass das Lächeln natürlich rüberkomme. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kurse kontrollieren sich dabei mit einem kleinen Spiegel.

Bereits über 4000 Leuten habe Kawano in den letzten sechs Jahren das Lächeln beigebracht. Dabei musste sie es damals zuerst selbst lernen.

Kawano war früher Radiomoderatorin. Damals merkte sie, dass sie mit dem Lächeln Mühe habe, wenn sie nicht regelmässig ihre Stimm-Übungen machte, sagt sie gegenüber der «New York Times». Im Alter von 43 Jahren begann sie, sich intensiv mit den Lachmuskeln zu beschäftigen.

2017 gab Kawano Lächeln-Unterricht in einem Gym: «Die Leute trainieren alle möglichen Muskeln – nur nicht die Gesichtsmuskeln.» Heute ist die Japanerin gefragt wie noch nie zuvor. Firmen wie IBM Japan buchen für die Angestellten Kurse bei ihr.

Die Maske bleibt Teil der japanischen Gesellschaft

In der japanischen Gesellschaft wurde dem Lächeln bisher keine grosse Bedeutung zugesprochen. Auch weil Gesichtsmasken bereits vor der Corona-Pandemie weit verbreitet waren.

In Japan gab es auch keine offizielle Maskenpflicht während der Pandemie, es galt immer nur eine Empfehlung – an die sich praktisch alle Menschen gehalten haben. Laut einer Umfrage will trotz Aufhebung dieser Empfehlung weiterhin über ein Viertel aller Japanerinnen und Japaner in Gesellschaft Maske tragen. Mehr als zwei Drittel gaben an, dass sie situationsbedingt entscheiden wollen und nur gerade 5,5 Prozent wollen komplett auf eine Maske im Alltag verzichten.

(rr)