Biochemie

Enzym markiert unerwünschte Proteine mit einem «Todeskuss»

22.07.2021, 16:12 Uhr
· Online seit 22.07.2021, 16:05 Uhr
Proteine bilden die Arbeitsbrigaden der Zellen. Werden sie übereifrig, bekommen sie von bestimmten Enzymen gleichsam einen Judaskuss: Sie erhalten eine Markierung, welche sie der Eliminierung anheimgibt.
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Wiener Forscher haben die Struktur eines solchen Enzyms (HUWE1) entschlüsselt und gezeigt, wie es eine Vielzahl unerwünschter Proteine zum Abbau freigibt: Das schlangenartige Molekül besitzt damit vielversprechendes therapeutisches Potenzial, so die Forscher im Fachjournal «Nature Chemical Biology».

Zellen balancieren ihre funktionellen Proteine mit Hilfe einer Gruppe von Enzymen aus, die «Ubiquitin-Ligasen» genannt werden. So wie ein Mitglied eines Mafia-Clans mit dem «bacio della morte» vom Paten für den Tod vorgesehen wird, erhalten unerwünschte Proteine von diesen Qualitätskontrolleuren ein Ubiquitin-Etikett. Erkennen andere Enzyme in der Zelle diese Markierung, zerstören sie das betreffende Protein, bevor es der Zelle schadet.

Die Wissenschaft interessiert sich für diese Ubiquitin-Ligasen, weil sie - entsprechend umprogrammiert - krankmachende Proteine für den Abbau markieren könnten. Dazu muss man aber erst verstehen, wie genau sie arbeiten. Das Problem dabei ist die enorme Grösse dieser Enzyme, die ihre Untersuchung schwierig macht.

HUWE1 - das hilfreiche Monster-Enzym

Den Teams von Tim Clausen vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und Dirk Kessler vom Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim ist es nun gelungen, die Struktur und Arbeitsweise der Ubiquitin-Ligase HUWE1 zu entschlüsseln. HUWE1 ist ein Generalist mit einem breiten Spektrum an Ziel-Proteinen, weshalb es als vielversprechend für potenzielle therapeutische Anwendungen gilt. Zudem spielt es während der Krebsentstehung eine wichtige Rolle bei der Markierung von Proteinen für den Abbau.

Es zeigte sich, dass HUWE1 auf ungewöhnliche Weise an seine Ziele bindet. Im Unterschied zu vielen anderen Ubiquitin-Ligasen, die nur wenige Bindungsstellen haben, um an bestimmte Proteine zu binden, trägt HUWE1 jederzeit eine grosse Anzahl von solchen Bindungsstellen. Diese reihen sich zu einer langen, dynamischen Spirale auf, die dem massiven Enzym ein schlangenartiges Aussehen verleiht.

«Wenn wir die molekularen Details aufklären können, die der Ziel-Selektivität zugrunde liegen, könnten wir in der Lage sein, eine breite Palette von Proteinen, die Krankheiten verursachen, ins Visier zu nehmen», erklärte Clausen in einer Medienmitteilung. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher kleine, synthetische Moleküle entwickeln, die HUWE1 an Proteine «kleben», die zerstört werden müssen. Damit könnten unerwünschte, krankmachende Proteine aus der Zelle entfernt werden.

*Fachpublikationslink http://dx.doi.org/10.1038/s41589-021-00831-5

veröffentlicht: 22. Juli 2021 16:05
aktualisiert: 22. Juli 2021 16:12
Quelle: sda

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