Syrien

Erdogan will keinen Waffenstillstand mit Kurden

16.10.2019, 07:25 Uhr
· Online seit 16.10.2019, 05:25 Uhr
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der US-Forderung nach einem Waffenstillstand mit den Kurden in Nordsyrien eine Absage erteilt. «Wir können niemals eine Waffenruhe ausrufen», sagte Erdogan am Dienstag.
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Die türkischen Truppen müssten erst ihr Ziel erreichen, und das sei die Einrichtung einer Schutzzone entlang der Grenze, sagte der Präsident nach Angaben der türkischen Zeitung «Hürriyet» bei seinem Rückflug von einem Aserbaidschan-Besuch. US-Sanktionen würden ihm keine Sorgen bereiten.

Erdogan setzte die Offensive am Dienstag unbeirrt fort. In Nordsyrien lieferte sich die türkische Armee auch am Dienstag weiterhin erbitterte Gefechte mit der Kurdenmiliz YPG.

US-Präsident Donald Trump hat ein Ende der türkischen Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien und einen Waffenstillstand gefordert. Sein Vize Mike Pence und Aussenminister Mike Pompeo reisen am Mittwoch nach Ankara, um die Türkei zur Beendigung ihrer Offensive zu bewegen. Für Donnerstag ist laut Angaben des Weissen Hauses ein bilaterales Treffen zwischen Pence und dem türkischen Präsidenten Erdogan geplant.

Sanktionen gegen türkische Führung

Am Montag hatten die USA Sanktionen gegen die türkische Führung verhängt. Zwei Ministerien und drei Minister wurden mit Strafmassnahmen belegt. Wegen der «destabilisierenden Handlungen der Türkei in Nordost-Syrien» würden ausserdem Strafzölle auf Stahlimporte aus der Türkei auf 50 Prozent angehoben, erklärte US-Präsident Donald Trump. Die US-Regierung will wegen der Militäroffensive auch «umgehend» Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit der Türkei abbrechen. Die US-Sanktionen fielen nicht so hart aus wie erwartet.

Am Dienstag erhob ein Gericht in New York Anklage gegen das staatliche türkische Kreditinstitut Halkbank - unter anderem wegen des Vorwurfs, im grossen Stil bei der Umgehung von US-Sanktionen gegen den Iran geholfen zu haben. Auch das dürfte der türkischen Regierung wenig gefallen.

Die US-Regierung hatte die Türkei bereits vergangene Woche zum Abbruch der Militäroffensive gegen die kurdische YPG-Miliz aufgefordert und den Nato-Partner mehrfach gewarnt. Dabei hatte Trump kurz vor Beginn der Offensive US-Truppen aus der Region abgezogen und damit faktisch den Weg für den Militäreinsatz der Türken frei gemacht - wofür er viel Kritik auch aus den eigenen Reihen bekam.

USA wollen Waffenruhe erreichen

Mit Sanktionen als Druckmittel und Pences Vermittlungsmission wollen die Amerikaner nun einen Waffenstillstand in Nordsyrien erreichen. Trump sagte am Dienstag in Washington, die US-Regierung habe bereits «starke» Strafmassnahmen gegen die Türkei verhängt. Er betonte aber, die Sanktionen könnten ausgeweitet werden, wenn die bisherigen Schritte keine Wirkung zeigten. Zuvor hatte er der Türkei damit gedroht, die Wirtschaft des Landes zu zerstören, falls Ankara im Konflikt mit den Kurden «inhuman» handeln würde.

An diesem Mittwoch will sich auch der Uno-Sicherheitsrat in New York erneut mit dem Nordsyrien-Konflikt befassen. Schon am vergangenen Donnerstag hatten Deutschland und fünf weitere EU-Länger per Mitteilung ein Ende der Offensive gefordert. Der Rat hatte sich aber nicht geschlossen auf eine gemeinsame Mitteilung einigen können.

Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und der verbündeten russischen Armee patrouillierten unterdessen in Nordsyrien. US-Truppen waren am Dienstag aus dem Ort Manbidsch abgezogen und überliessen Assad und Russland das Gebiet. Die syrische Armee habe die «volle Kontrolle» über Manbidsch und über «umliegende Gebiete» übernommen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit und sprach von einem «organisierten Zusammenwirken mit der türkischen Seite».

Uno: Zehntausende auf der Flucht

Die von der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben bislang ein grosses Gebiet an der Grenze zur Türkei in Nordsyrien kontrolliert. Für die USA waren sie lange ein Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach dem Abzug der US-Kräfte und dem Beginn der türkischen Offensive wandten sich die SDF hilfesuchend an Damaskus und Moskau, bezeichneten die Vereinbarung aber als «schmerzhaften Kompromiss».

Trotz der Forderungen nach einer Waffenruhe gingen die Kämpfe in der Region weiter. Nach Angaben der Uno-Organisation für Migration (IOM) sind inzwischen mindestens 190'000 Menschen geflohen. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kündigte angesichts der «extrem instabilen Situation» an, alle internationalen Mitarbeiter aus der Region abzuziehen.

veröffentlicht: 16. Oktober 2019 05:25
aktualisiert: 16. Oktober 2019 07:25
Quelle: sda

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