Das U-Boot wird seit Sonntagvormittag auf einer Fläche von 26'000 Quadratkilometern im Atlantik gesucht. Die Abenteurer waren auf dem Weg zum Wrack des 1912 gesunkenen Luxusdampfers «Titanic». Abenteuerreisen, welche sich Beliebtheit erfreuen, jedoch alles andere als ungefährlich sind.
Einer, der selber bereits viele Expeditionen zu Wracks unternahm, ist Philippe Epelbaum. Der U-Boot Pilot hat ein eigenes Tauchunternehmen, das «Subspirit», und führt regelmässig Tauchgänge im Vierwaldstättersee durch. Im Interview erklärt der Spezialist wie es sich für die Touristen an Board der «Titan» im Moment anfühlen muss und er äussert seine Vermutung, was geschehen ist:
Herr Epelbaum, zum Start ganz grundsätzlich: Wie ist es, solange in einem U-Boot zu sein?
Befindet man sich lange in einem U-Boot, in welchem alle Geräte und Systeme funktionieren, dann ist das eine sehr spannende Sache. Hat man jedoch eine Panne, ist es ein absoluter Albtraum. Man weiss nicht, ob man gerettet wird oder nicht und man weiss gleichzeitig, dass die Sauerstoffreserven und andere überlebenswichtige Dinge ganz langsam zu Ende gehen. Das ist kein gutes Gefühl.
Dass man mit einem solchen U-Boot verschwindet – einfach ein Risiko, welches man eingeht?
Nein, die Frage ist immer, wie man ausgerüstet ist und welche Notfallprotokolle überhaupt vorhanden sind. Wie es in diesem Fall ist, ist schwierig zu sagen. Grundsätzlich ist es aber so, dass in jedem Fall eine Notausrüstung an Bord ist. Diese besteht mindestens aus Nahrungsmittel, Toiletten und aufgrund der Kälte in der Tiefe auch aus Wärmedecken.
Die Abenteurer sind von der Aussenwelt abgeschnitten – gibt es Protokolle, die ihnen Hoffnung machen?
Jedes Unternehmen stellt eigene Worst-Case-Szenarien auf. Dass nach ihnen gesucht wird, davon können sie allerdings ausgehen. Bei uns ist es so, dass bei einem Kommunikationsausfall, eine Ersatzleitung zum Zug kommt. Falls diese ebenfalls nicht funktioniert, tauchen wir sofort wieder auf. Dass die «Titan» trotz des Kommunikationsausfalls nicht aufgetaucht ist, hinterlässt für mich viel Spekulationsspielraum.
Zum Beispiel?
Es könnte sein, dass das U-Boot senkrecht hinunter zur Titanic tauchen wollte und währenddessen aufgrund des Drucks implodierte. Dann ist ein U-Boot welches ursprünglich 10 Tonnen wiegt, plötzlich voll mit Wasser und so 20 Tonnen schwer. Wenn ein solches Gefährt dann auf das Wrack kracht, welches bereits 110 Jahre im Salzwasser liegt, dann wird das über Stockwerke hinweg durchgebrochen sein. Eine Rettung wäre dann komplett ausgeschlossen. Denn es gibt nur wenige U-Boote, welche auf eine solche Tiefe abtauchen können. Das Wrack der Titanic befindet sich in einer Tiefe von 3'800 Metern. Selbst die U-Boot-Rettungsfahrzeuge der Marine schaffen das nicht.
Was ist mit den Geräuschen, welche man wahrnehmen konnte?
Man muss immer unterscheiden zwischen einem Geräusch und einem Signal. Bis jetzt weiss man nicht, was diese Geräusche verursachte bzw. ob sie menschgemacht waren. Einfach ein Geräusch sagt noch gar nichts – das ist einfach mal irgendeine eine Spur. Falls es tatsächlich Signale wären, wäre man mit den entsprechenden Geräten in der Lage die Richtung und eine allfällige Distanz zu bestimmen. Dass man das Boot also über kurz oder lang irgendwie finden wird, ist für mich keine Frage. Dass allerdings die Insassen noch gerettet werden können, daran glaube ich immer weniger.
Heute um 13:08 Uhr ist der Sauerstoff aufgebraucht, wie denken Sie sieht die Situation im Boot aktuell aus?
Einerseits wird der Sauerstoff immer weniger, und andererseits steigt der C02-Anteil in der Luft – denn die Filtersysteme funktionieren mit der Zeit ebenfalls nicht mehr. So wird es immer schwieriger zu atmen. Hinzu kommt die Angst vor dem Erstickungstod. Das führt dazu, dass zusätzlich viel mehr Sauerstoff gebraucht wird. Eine unglaublich unangenehme Situation also.
Es könnte also sein, dass schon jetzt jede Rettung zu spät kommt?
Absolut.
Irgendwo eingesperrt zu sein und zu wissen, dass bald kein Sauerstoff mehr vorhanden ist, es gibt vermutlich nichts Schlimmeres auf einem solchen Abenteuer?
Das ist genau so. Es ist ein langsamer, qualvoller Tod. Wie ein Mensch damit umgeht, ist jedoch sehr individuell. Bei einer Implosion wären innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde alle Insassen auf der Stelle tot. Ein solches sterben würde ich definitiv vorziehen – es kommt unerwartet und ist sofort vorbei.
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