«Keine Steuer rechtfertigt es, die Einheit der Nation zu gefährden», sagte Premierminister Édouard Philippe am Dienstag in einer Fernsehansprache.
Der Regierungschef kündigte an, dass die Preise für Elektrizität und Gas während des Winters bis zum 1. März nicht angehoben werden sollen. Auch eine Verschärfung der technischen Überprüfung von Autos mit strikteren Umweltvorschriften werde für sechs Monate auf Eis gelegt.
Philippe forderte, dass neue Proteste friedlich verlaufen müssten. «Der Innenminister wird alle Mittel bereitstellen, damit Gesetz und Ordnung respektiert werden.» Am vergangenen Wochenende hatten sich Demonstranten in der Hauptstadt Strassenschlachten mit der Polizei geliefert.
Beobachter sprachen von bürgerkriegsähnlichen Szenen. Für diesen Samstag riefen die «Gelben Westen» bereits zu erneuten Protesten auf.
Die Mitte-Regierung und Frankreichs sozialliberaler Staatschef Emmanuel Macron waren aufgrund der Proteste der «Gelben Westen» in den vergangenen Wochen immer stärker unter Druck geraten. Seit Mitte November kommt es im ganzen Land immer wieder zu Strassenblockaden und Demonstrationen.
Erste Reaktionen der «Gelbwesten» auf die Entscheidung der Regierung fielen am Dienstag negativ aus. «Wir sind überhaupt nicht zufrieden», erklärte eine Aktivistin in Bordeaux. «Die Franzosen wollen keine Krümel, sondern das ganze Baguette», sagte ein anderer Aktivist aus Toulouse.
Die Protestbewegung der «Gelbwesten» organisiert sich einzig über das Internet. Anführer und Sprecher im klassischen Sinn hat sie nicht. Die Aktivisten stehen für ein breites gesellschaftliches Spektrum, vom Lastwagenfahrer über den Arbeitslosen bis zur selbstständigen Unternehmerin.
Ein Sprecherrat hat sich wieder aufgelöst, da er von vielen Aktivisten nicht anerkannt wird. Das erschwert Verhandlungen mit der Regierung.
Die Wut der Protestbewegung hatte sich an den für Januar geplanten Steuererhöhungen auf Treibstoffe entzündet, die Macron und seine Regierung im Zuge einer Ökoreform durchsetzen wollten. Der Protest richtet sich aber auch ganz allgemein gegen die Reformpolitik Macrons, der von vielen als «Präsident der Reichen» angesehen wird.
Französische Medien sehen Macron mit der schwersten Krise seiner Amtszeit konfrontiert. Der sozialliberale Staatschef war im Mai 2017 in den Élyséepalast eingezogen.
Der Präsident ist in einer Zwickmühle: Gibt er den «Gelbwesten» weiter nach, setzt er seinen Reformkurs aufs Spiel. Bleibt er hart, droht eine Eskalation der Proteste und eine Quittung bei der Europawahl Ende Mai.