Macron involviert

Geleakte Dokumente zeigen, wie aggressiv Uber Lobbying betrieb

· Online seit 11.07.2022, 11:01 Uhr
Jetzt gibts auch die «Uber Papers»: Das US-amerikanische Fahrdienstunternehmen Uber soll in seinem Streben nach Macht und Gewinn nicht davor zurückgeschreckt haben, hochrangige Politiker und heutige Regierungschefs für sich zu gewinnen – auch in Europa.

Quelle: TeleZüri / Sendung vom 4. Juni 2022

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«Die Datei ist mehr als eine Excel-Tabelle», schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde». «Sie ist der Schlachtplan eines amerikanischen Start-ups, das Frankreich erobern will.» Gemeint sind über hunderttausend interne Emails, Chatverläufe und Akten, die das Fahrdienstunternehmen Uber derzeit in die Bredouille bringen – und mit ihm den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.

Uber soll laut den Dokumenten, die aus den Jahren 2013 bis 2017 stammen und durch ein Datenleck in die Finger des britischen Blatts «The Guardian» gerieten, auf aggressive Weise – teils recht erfolgreich – versucht haben, innerhalb der französischen Politik Lobbying zu betreiben, um expandieren und die Taxibranche als Konkurrenz schwächen zu können.

CEO nahm Gewaltpotential in Kauf

Hierfür hätten auch mindestens vier Treffen mit Macron stattgefunden, der während seiner Amtszeit als Frankreichs Wirtschaftsminister von 2014 bis 2016 versucht habe, eine Uber-kritische Verordnung eines französischen Polizeipräfekten zu kippen. «Ich werde mir die Sache persönlich anschauen», soll Macron in einer SMS geschrieben haben. Am nächsten Morgen war die Verordnung passé.

Durch die Dokumente gerät neben Macron aber vor allem der damalige Uber-CEO Travis Kalanick in ein unrühmliches Licht: Dessen Methoden und Taktiken erscheinen als äusserst aggressiv. So soll Uber nach Protesten gegen die Firma in Frankreich im Jahr 2016 eine grosse Gegendemonstration organisiert haben, mit «15'000 Fahrern» und «50'000 Kunden», wie Kalanick in Chatnachrichten schrieb.

Uber war «geschickt»

Er spielte demnach die Gefahr eines möglichen gewaltvollen Zusammenstosses mit der Gegenseite herunter: «Wenn wir 50'000 Passagiere haben, werden und können sie nichts tun», so Kalanick. Zugleich schien er Risiken in Kauf zu nehmen: «Ich denke, es ist es wert. Gewalt garantiert Erfolg.»

Aus den geleakten Dokumenten geht laut «The Guardian» hervor, dass Uber «geschickt darin war, inoffizielle Wege zur Macht zu finden, Einfluss über Freunde oder Vermittler auszuüben oder Begegnungen mit Politikern zu suchen.» Oberstes Ziel dabei seien jeweils die Lockerungen von Arbeitergesetzen gewesen, oft zur Missgunst von «regulären» Taxifahrern.

Auch deutsche Politiker betrieben Lobbying

Französische Oppositionelle reagierten empört auf die Berichte. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Mathilde Panot, warf Macron vor, er habe als «Lobbyist» für ein US-Unternehmen agiert, «welches das Arbeitsrecht dauerhaft deregulieren will». Der kommunistische Abgeordnete Pierre Dharréville forderte eine Untersuchung der Vorgänge vonseiten des Parlaments.

Übrigens: Frankreich ist nicht das einzige europäische Land, in dem Uber-Lobbying betrieben worden sein soll: Laut den Berichten hat in Deutschland der FDP-Politiker Otto Fricke, von 2002 bis 2013 Bundestagsabgeordneter, seine Kontakte spielen lassen, um eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes im Sinne des Fahrdienstleisters durchzusetzen.

Kalanicks Rücktritt markiert einen Neuanfang

Des Weiteren soll Uber in der Absicht, sich durch politische Manöver Vorteile zu verschaffen, sogar US-Präsident Joe Biden und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz zu bezirzen versucht haben – allerdings ohne Erfolg. Scholz setzte sich als damaliger Bürgermeister von Hamburg für einen Mindestlohn der Uber-Fahrer ein.

Uber selbst liess in einem Statement verlauten, dass man sich «nicht für ein Verhalten in der Vergangenheit entschuldigen» werde, «das eindeutig nicht mit unseren heutigen Werten übereinstimmt». Stattdessen bitte man die Öffentlichkeit, die letzten fünf Jahre zu betrachten. Seit Kalanick 2017 als CEO zurücktrat, hat sich das Unternehmen in vielerlei Hinsicht von dessen Kurs verabschiedet.

(mhe)

veröffentlicht: 11. Juli 2022 11:01
aktualisiert: 11. Juli 2022 11:01
Quelle: Today-Zentralredaktion

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