«Ich dachte, ich sehe nicht richtig»

04.02.2018, 11:59 Uhr
· Online seit 04.02.2018, 11:54 Uhr
Zwei Tiefschnee-Fahrer hetzen in Italien eine Gruppe Rehe durch einen Wald. Sie klingen ganz euphorisch, weil sie den Tieren so nahe kommen können. Was für Skifahrer ein atemberaubendes Erlebnis ist, ist für die Tiere aber eine tödliche Gefahr.
Fabienne Engbers
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Das Video hat auf sozialen Medien und auch in den Kommentaren von FM1Today für Unmut gesorgt. «Es ist traurig zu sehen, dass es nach wie vor Leute gibt, die keinerlei Anstand und Respekt haben vor den Tieren und der Natur allgemein», schreibt Karin. «Bei sowas könnte ich kotzen», schreibt Userin Ke Ry auf Facebook. Auch Experten sind erschüttert vom Video. «Ich dachte im ersten Moment, ich sehe nicht ganz richtig», sagt Hannes Jenny, Wildbiologe beim Amt für Jagd und Fischerei Graubünden.

«Heute sollte man es besser wissen»

Den Experten erschreckt, dass viele Leute immer noch nicht wissen, wie man mit Wild richtig umgeht. «Dass Leute unaufgeklärt im Wald herumfahren und sich dermassen rücksichtlos gegenüber den einheimischen Tieren verhalten, schockiert mich», sagt Jenny. «Ich dachte, heutzutage sind die Menschen darüber aufgeklärt, wie man sich gegenüber Wildtieren im Wald verhalten muss.»

Ein Mann und vermutlich sein Sohn fahren im Tiefschnee eine Piste bergab. Plötzlich sehen sie Rehe an der rechten Seite zwischen ein paar Bäumen. Sie nehmen sofort die Verfolgung auf und treiben die Tiere auf ihrer Talfahrt bei 60 bis 70 Zentimeter Schnee immer wieder in die Enge.

Flucht kostet viel Energie

Das Problem an der Sache ist, dass die Rehe bei einer solchen Flucht extrem viel Energie brauchen. «Wenn die Rehe bereits geschwächt sind oder wenn sie in einem Winter mehrmals gestört werden, kann es sein, dass sie den Winter nicht überleben», sagt Hannes Jenny. Die Energiereserven eines Rehs sind – besonders in Wintern mit so viel Schnee wie dieses Jahr – begrenzt und müssen bis zum Frühjahr reichen.

Wenn man als Skifahrer eine nicht gekennzeichnete Piste hinab fährt, muss man Einiges beachten. «Man muss sicher sein, dass die Abfahrt gestattet ist und nicht durch eine Wildruhezone führt.» Falls man einmal im Tiefschnee einem Wildtier begegnet, sind die Verhaltensregeln grundsätzlich einfach: «Man muss auf der Spur bleiben und den Tieren auf keinen Fall nachfahren. Dann sollte man sich so ruhig wie möglich entfernen», sagt der Wildbiologe.

Wer öfters Touren in Wälder unternimmt, findet hier wichtige Verhaltenstipps für Schneesportler.

Skifahrer machen sich strafbar

Die Hetzjagd, die man im Video sieht, ist in der Schweiz ein Verstoss gegen das Jagdgesetz. «Das ist willentliche Störung von Wildtieren», sagt Hannes Jenny. Bei der Verfolgung würden die Tiere fast schon gequält. Wie die Gesetzgebung allerdings in Italien, wo das Video vermutlich gedreht wurde, aussieht, kann der Experte nicht sagen.

Trotz Aufklärung auf allen möglichen Kanälen haben die Italiener das Wild nicht in Ruhe gelassen. «So etwas macht mich traurig und wütend zugleich», sagt Hannes Jenny. «Ich verstehe nicht, warum einem der natürliche Instinkt nicht sagt, dass man Rücksicht nimmt, wenn man Rehe im Tiefschnee stehen sieht.» Wie ihm geht es auch vielen Facebook-Nutzern. «Einfach krank sowas, lasst die Tiere doch einfach in Ruhe und benehmt euch, so wie ihr es auch von eurem Besuch erwarten würdet», schreibt Nicole Gassner. Viele wünschen den Skifahrern eine saftige Busse an den Hals, zum Beispiel Barbara Huber, wie sie auf Facebook schreibt.

veröffentlicht: 4. Februar 2018 11:54
aktualisiert: 4. Februar 2018 11:59
Quelle: saz/enf

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