Syrien

Kämpfe um Grenzstädte nach türkischem Vormarsch

13.10.2019, 18:04 Uhr
· Online seit 13.10.2019, 17:50 Uhr
Die türkische Armee und verbündete syrische Rebellen liefern sich fünf Tage nach Beginn ihres Angriffs in Nordsyrien erbitterte Gefechte mit der Kurdenmiliz YPG.
Anzeige

Im Fokus der Kämpfe standen am Sonntag die Grenzstädte Ras al-Ain und Tall Abjad, die bislang zum Herrschaftsgebiet der von der der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) gehören. Ras al-Ain liegt direkt an der türkischen Grenze entlang einer wichtigen Versorgungsroute zwischen Tall Abjad im Westen und der Stadt Kamischli im Osten.

Die SDF hätten die meisten Stadtteile von Ras al-Ain nach einem Gegenangriff zurückerobert, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte dagegen am Sonntag, das Zentrum der Stadt sei unter türkischer Kontrolle. Der TV-Sender CNN Türk berichtete, türkische Truppen suchten in Ras al-Ain nach Verstecken kurdischer Kämpfer.

Die Türkei hatte am Mittwoch mit Unterstützung der Rebellengruppe Syrische Nationale Armee eine lang geplante Offensive gegen die YPG begonnen und dabei mehrere syrische Orte entlang der gemeinsamen Grenze angegriffen. Ankara betrachtet die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Sonntag in einem Telefonat zum sofortigen Stopp der Militäroffensive auf. Merkel warnte Erdogan, dass die Offensive ungeachtet berechtigter türkischer Sicherheitsinteressen zur Vertreibung grösserer Teile der lokalen Bevölkerung führen könnte. Zudem drohten eine Destabilisierung der Region und ein Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Mögliche EU-Sanktionen

Auch EU-Sanktionen gegen die Türkei schienen am Sonntag möglich. Die USA ziehen derweil weiter Soldaten aus dem Gebiet zurück, in das die Türken vordringen. Deutschland und Frankreich schränkten ihre Rüstungsexporte in die Türkei ein. Schweden, die Niederlande, Finnland und Norwegen hatten dies schon zuvor getan.

Mögliche EU-Sanktionen gegen die Türkei sollten am Montag Thema bei einem Aussenministertreffen in Luxemburg und am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel Thema werden. Schweden hatte sich am Freitag für ein EU-weites Waffenembargo gegen die Türkei ausgesprochen und Wirtschaftssanktionen sowie Sanktionen gegen Einzelpersonen ins Gespräch gebracht. Auch die französische Regierung warf das Thema Sanktionen auf. US-Präsident Trump behält sich Sanktionen ebenfalls weiterhin vor.

Abzug weiterer US-Soldaten

Trump ordnete allerdings den Rückzug weiterer Soldaten aus dem Kriegsgebiet an. Es bestehe die Gefahr, dass die USA zwischen zwei sich gegenüberstehende Armeen gerieten, sagte Verteidigungsminister Mark Esper dem TV-Sender CBS. Das sei eine «sehr unhaltbare» Lage. Washington wolle sicherstellen, dass keine amerikanischen Soldaten verletzt oder getötet würden. Es würden weniger als 1000 US-Soldaten abgezogen, sagte Esper Fox News. Einen Zeitplan dafür gebe es nicht.

Aus dem unmittelbaren Gebiet der türkischen Offensive, die seit Mittwoch läuft, hatten die USA vergangene Woche rund 50 Soldaten abgezogen. Mit dem Schritt machten sie faktisch den Weg frei für Erdogans Einsatz. Trump hatte für diese Entscheidung scharfe Kritik auch aus seinen eigenen Reihen kassiert.

130'000 Menschen vertrieben

Die humanitäre Lage in dem Gebiet verschärfte sich weiter. Das Uno-Nothilfeprogramm Ocha berichtete, schätzungsweise 130'000 Menschen seien seit Beginn der Kämpfe vertrieben worden.

Im Ort Al-Hassaka, in den die Mehrzahl der Menschen geflüchtet sei, habe sich die Wasserversorgung dramatisch verschlechtert. Davon seien etwa 400'000 Menschen betroffen. Das Verteidigungsministerium in Moskau als Verbündeter Syriens warnte vor einer humanitären Katastrophe.

In mehreren Städten Europas gingen am Samstag aus Protest gegen den türkischen Einmarsch Zehntausende Menschen auf die Strasse. Zu Kundgebungen kam es etwa in Deutschland, Frankreich und auch in mehreren Schweizer Städten.

veröffentlicht: 13. Oktober 2019 17:50
aktualisiert: 13. Oktober 2019 18:04
Quelle: sda

Anzeige
Anzeige