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Kantonsrat führt emotionale Diskussion zur Gemeindeautonomie

21.02.2022, 18:59 Uhr
· Online seit 21.02.2022, 18:57 Uhr
Zwei Varianten liegen auf dem Tisch, wie die Gemeindestrukturen in Appenzell Ausserrhoden angepasst werden könnten. Statt wie heute 20 soll es gemäss Gegenvorschlag des Regierungsrats künftig nur noch vier Gemeinden geben. Der Kantonsrat diskutierte am Montag weitere Varianten.
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Das Thema der Gemeindestrukturen ist in Appenzell Ausserrhoden schon seit Jahren weit oben auf der Prioritätenliste. Bisher sind Fusionen nicht möglich, weil in der Kantonsverfassung alle 20 Gemeinden ausdrücklich genannt werden.

Im März 2018 kam die Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden» eines überparteilichen Komitees zustande. Ziel der Initianten ist es, Zusammenschlüsse von Gemeinden zu fördern. Die Gemeinden sollen in der Verfassung nicht mehr namentlich aufgezählt werden.

In erster Lesung wurde die Volksinitiative an die Regierung zurückgewiesen mit dem Auftrag, dem Rat einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Der Gegenvorschlag des Regierungsrat sieht die Fusion der 20 Gemeinden zu künftig nur noch vier Gemeinden Herisau, Vorderland, Mittelland und Hinterland vor.

Am Montag fand im Kantonsrat die zweite Lesung der Volksinitiative und die erste Lesung des Gegenvorschlags statt. Die Kommission Inneres und Sicherheit befürwortet mehrheitlich den Gegenvorschlag des Regierungsrats. Es gehe jetzt vor allem darum, offene Fragen zu klären, sagte Kommissionspräsident Peter Gut: «Visionen fallen nicht vom Himmel, sie müssen erarbeitet werden.»

Fusionszwang oder Vernunftehe

«Es geht um ein sehr emotionales Thema,» sagte der zuständige SVP-Regierungsrat Hansueli Reutegger. Er sei vom Milizsystem überzeugt, aber für viele kleinere Gemeinden werde es immer schwieriger, die Exekutivbehörden zu besetzen, so Reutegger.

Gegner des Gegenvorschlags warnten vor einem Fusionszwang, zu viel Macht für die Gemeinde Herisau, Wegzügen von guten Steuerzahlern und hohen Kosten für den Kanton. Befürworter sprachen von einem radikalen und visonären Vorschlag, einem grossen Wurf und von einer Vernunftehe.

«Wir können jetzt steuern, in welche Richtung es gehen soll», sagte der Sprecher der SVP-Fraktion, die auf den Gegenvorschlag eintreten will. Auch für die Mitte-EVP-Fraktion ist eine Rückweisung keine Option.

Wer auf Fusionsprojekte von unten gewartet habe, sei enttäuscht worden, sagte die Sprecherin der SP-Fraktion. 20 Gemeinden seien nicht mehr zeitgemäss. Die Unterschiede zwischen den Gemeinden bezüglich der steuerlichen Belastung würden immer grösser.

Die Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden» habe den Stein ins Rollen gebracht und den Gegenvorschlag der Regierung provoziert, Der Vierer-Vorschlag ist für die SP die beste Lösung und ein klares Konzept. Die heutigen Zweckverbände würden überflüssig. Grosse Gemeinden seien starke Gemeinden auch gegenüber dem Kanton.

Eventualantrag angenommen

Innerhalb der FDP-Fraktion gibt es sowohl Sympathien für die Initiative und als auch für den Gegenvorschlag. Bedauert wird, dass der von der Verfassungskommission vorgeschlagene Artikel «Bestandes- und Gebietsänderungen bedürfen der Zustimmung der Stimmberechtigten jeder beteiligten Gemeinde» in beiden Varianten nicht vorkommt.

Es gebe einen Lösungsweg. Der Gegenvorschlag müsse ergänzt werden, sagte der FDP-Sprecher. Man wolle mit zwei echten Alternativen in die Abstimmung. Der Rat stimmte dem Eventualantrag der FDP mit 49 Ja, 1 Nein und 2 Enthaltungen zu.

Marc Wäspi (PU, Herisau) forderte in einem Antrag eine Abänderung des Gegenvorschlags zum Modell von drei Gemeinden Vorderland, Mittelland und Hinterland. Herisau müsse ins Hinterland integriert werden. Eine Bandbreite von drei bis sechs Gemeinden sah der Antrag einer Mehrheit der FDP-Fraktion vor. Man wolle den Fächer öffnen.

Die Anträge hatten gegen die Variante der Regierung keine Chance. In der Schlussabstimmung wurde dem Gegenvorschlag der Regierung inklusive Eventualantrag mit 47 Ja, 6 Nein und 1 Enthaltung zugestimmt.

Die Entscheide zur Initiative und zum Gegenvorschlag werden der Volksdiskussion unterstellt. Erst in der dritten Lesung können Kantons- und Regierungsrat entscheiden, ob sie eine Abstimmungsempfehlung zur Volksinitiative abgeben möchten.

Die IG «Selbstbestimmte Gemeinden» reichte vergangene Woche eine weitere Initiative mit 1289 Unterschriften ein. Darin wird verlangt, dass die Ausserrhoder Gemeinden selber über Fusionen bestimmen können. Die neue Volksinitiative ist noch nicht für gültig erklärt worden und war am Montag im Parlament deshalb kein Thema.

Quelle: tvo

veröffentlicht: 21. Februar 2022 18:57
aktualisiert: 21. Februar 2022 18:59
Quelle: sda

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