Andrew Bellucci

Lügen, FBI und Suizidversuch: Der legendärste Pizza-Bäcker von New York

· Online seit 06.06.2023, 18:43 Uhr
Andrew Bellucci war in New York eine Legende. Er war für seine Pizza weit über die Stadtgrenzen berühmt. Doch er hatte auch eine dunkle Vergangenheit. Nun ist er im Alter von 59 Jahren gestorben – während er seine Lieblingspizza zubereitete.
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Die New Yorker sind stolz auf ihre Pizza. Sie gilt in der Metropole als Kulturgut. Doch das war nicht immer so. Massgeblich dafür verantwortlich war ein Mann: Andrew Bellucci. Eine so schillernde Figur, dass über sein Leben sogar ein knapp vierstündiger Dokumentarfilm erschien.

Für Bellucci war das Pizzabacken eine Kunst. Er lernte sie über Bücher und alte Zeitungen in den Bibliotheken und durch seinen Job in der Bäckerei «Two Boots». Ein Artikel über Gennaro Lombardi, einen Immigranten aus Neapel, brachte ihn zur Überzeugung: Dieser Mann backte die «erste richtige Pizza in den USA». In einem Holzkohlenofen in Little Italy in New York.

Pizza nach traditionellem Rezept

Bellucci machte sich auf die Suche, bis er in der Nähe eine alte Bäckerei fand, die noch einen Holzkohlenofen hatte. Er spürte einen Nachkommen Lombardis auf, ebenfalls mit dem Namen Gennaro. Bellucci konnte ihn von einer Zusammenarbeit überzeugen: Gennaro gibt den Familiennamen, Bellucci macht die Pizza.

«Lombardi's» wurde ein riesiger Erfolg. Bald schon kamen die ersten Nachahmer und boten ebenfalls Holzofenpizza an.

Doch eines Tages im Jahr 1995 kamen zwei spezielle Gäste in die Pizzeria. Sie bestellten ihr Essen – und führten danach Andrew Bellucci in Handschellen ab. Die Vergangenheit holte ihn ein.

Verhängnisvoller TV-Auftritt

Bellucci arbeitete früher in einer Anwaltskanzlei. Er war dort bei allen äusserst beliebt. Eines Tages lud er alle Angestellten zu einer Party in einem Restaurant ein. Die Frau eines Teilhabers der Kanzlei wunderte sich dort, wie er sich das leisten konnte: «Der Typ bestiehlt dich.»

Sie hatte recht. Hunderttausende Dollar zwackte er ab. Als das ans Licht kam, arbeitete Bellucci schon lange nicht mehr in der Kanzlei und schien vom Erdboden verschwunden. Das FBI vermutete, dass er das Land verlassen hatte.

Ein Fernsehauftritt für seine Pizzeria wurde Bellucci zum Verhängnis. Sein Drang nach Aufmerksamkeit war stärker als seine Angst vor einer Verurteilung.

Ein Leben voller Lügen

Schliesslich wurde Bellucci wegen Betrugs verurteilt und musste 13 Monate ins Gefängnis. Einer Schuld bewusst, war er sich jedoch nie: «Meine Opfer waren nur eine Anwaltskanzlei, eine Versicherungsfirma und eine Bank. Es ist ja nicht so, als hätte ich eine alte Frau überfallen.»

Zu dieser Zeit brachen auch weitere Lügengebilde rund um sein Leben zusammen. So behauptete er stets, bei «Lombardi's» ein Teilhaber zu sein – was er nicht war – und sein angebliches Pizzateig-Rezept nach altem Lombardi-Vorbild gab es nicht. Es war das gleiche Rezept wie seinerzeit in der Bäckerei «Two Boots».

Zudem behauptete Bellucci, dass er jüdischer Abstammung sei und seine Grossmutter den Holocaust überlebt hatte. Dabei kam er 1964 als Sohn von römisch-katholischen Eltern zur Welt.

Suizidversuch in Malaysia

Nach seiner Zeit im Gefängnis hatte Bellucci vorerst genug vom Leben als Pizzaiolo. Er fuhr Taxi und lebte in der Anonymität.

Bis er 2013 ein Inserat für einen Job als Chef einer Pizza-Kette in Malaysia entdeckte. Er bekam den Job. Doch in Kuala Lumpur wurde er nicht glücklich. Er hatte keine Freunde und lebte zurückgezogen. Eines Nachts schluckte er nach eigenen Angaben 50 Tabletten und spülte sie mit einer Flasche Jack Daniels runter. Der Suizidversuch misslang, «ich kam einfach am nächsten Tag zwei Stunden zu spät zur Arbeit».

«Die dümmste Entscheidung seines Lebens»

Bellucci kehrte 2017 nach New York zurück. Er wollte dort wieder eine Pizzeria eröffnen, fand aber keine Geldgeber. Seine Vision war eine «Kathedrale für die Pizza» mit mehreren Varianten von Muschel-Pizzen, seine Lieblingsversion der Pizza.

Im Jahr 2020 wurde sein Traum zumindest teilweise wahr. Leo Dakmak, der sein Geld mit einem Tattoo- und Piercingladen machte, übergab ihm ein Lokal für eine Pizzeria: «Bellucci Pizza». «Er teilte meine Vision und sagte, dass er mir blind folgen werde. Ich sagte ihm, dass das wahrscheinlich die dümmste Entscheidung seines Lebens sei», sagte Bellucci der «New York Post».

Nur ein Jahr später war Bellucci seinen Job wieder los. Laut Dakmak, weil das Lokal nicht rentabel war, laut Bellucci weil Dakmak ein weiteres Lokal ohne ihn eröffnen wollte.

Langer und spektakulärer Rechtsstreit

Kurz nach dem Bruch mit Dakmak entstand mit einem neuen Investor nur einige Strassen von «Bellucci Pizza» entfernt die «Bellucci Pizzeria». Es folgte ein spektakulärer Rechtsstreit über den Namen, schliesslich einigte man sich aussergerichtlich und Belluccis neues Lokal hiess fortan «Andrew Bellucci's Pizzeria».

Vergangene Woche starb Andrew Bellucci. Laut seines Geschäftspartners war er gerade dabei, eine seiner beliebten Muschel-Pizzen zuzubereiten.

veröffentlicht: 6. Juni 2023 18:43
aktualisiert: 6. Juni 2023 18:43
Quelle: FM1Today

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