«Angriff nicht auszuschliessen»

Nato sieht Russland jetzt als Bedrohung

29.06.2022, 15:21 Uhr
· Online seit 29.06.2022, 14:24 Uhr
Während dem Nato-Gipfel in Madrid hat die Organisation ein neues Strategiepapier verabschiedet. Dieses soll Russland offiziell zum Feind erklären. Ausserdem startet die Nato das Aufnahmeverfahren für Finnland und Schweden.
Anzeige

Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch von Sitzungsteilnehmern.

In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als «grösste und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum» bezeichnet, China als Herausforderung. Darin stehe laut dem «Spiegel»: Die Nato könne «einen Angriff auf die Souveränität und die territoriale Integrität der Alliierten nicht mehr ausschliessen».

Das neue strategische Konzept ersetzt die vorherige Version aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der grossen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine «echte strategische Partnerschaft» mit dem Land gesetzt.

Weiterhin bereit, mit Moskau zu kommunizieren

Im neuen Konzept heisst es nun: «Angesichts ihrer feindseligen Politik und Handlungen können wir die Russische Föderation nicht als unseren Partner betrachten.» Die Beziehungen könnten sich erst dann wieder ändern, wenn Russland sein aggressives Verhalten einstelle und das Völkerrecht in vollem Umfang einhalte. Man bleibe jedoch bereit, die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten, um Risiken zu mindern, Eskalationen zu verhindern und mehr Transparenz zu schaffen.

Im Vorwort heisst es: «Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat den Frieden zunichte gemacht und unser Sicherheitsumfeld schwerwiegend verändert.» Man unterstreiche die Notwendigkeit, Abschreckung und Verteidigung deutlich zu stärken.

Russlands Einmarsch in die Ukraine wird als brutal und rechtswidrig bezeichnet. Wiederholte Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und abscheuliche Angriffe und Gräueltaten hätten unsägliches Leid und entsetzliche Verwüstung verursacht.

Gewalt sei gegen internationale Ordnung

Als Bedrohung für die Nato-Staaten werden in dem Konzept unter anderem Russlands Versuche beschrieben, sich über Zwang, Subversion, Aggression und Annexion Einflusssphären zu schaffen. Die erwiesene Bereitschaft des Landes, Gewalt zur Verfolgung politischer Ziele einzusetzen, untergrabe die regelbasierte internationale Ordnung.

In Folge dieser Politik wird die Nato dem Konzept zufolge die «Abschreckung und Verteidigung für alle Verbündeten deutlich stärken» und auch Partner dabei unterstützen, «böswillige Einmischung und Aggression abzuwehren». Zugleich wird festgehalten, dass die Nato keine Konfrontation suche und für Russland keine Bedrohung darstelle.

Vor allem auf Druck der USA hin wird im neuen strategischen Konzept auch auf China eingegangen. Es wird dort als Land beschrieben, das versucht, strategisch wichtige Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie Lieferketten unter seine Kontrolle zu bringen. Als Gefahr wird zudem die zunehmende strategische Abstimmung zwischen China und Russland genannt.

Gegen China schützen, um Bündnis zu spalten

In Reaktion auf die «systemischen Herausforderungen» durch China wollen die Nato-Staaten nun ihr gemeinsames Lagebild verbessern und die Resilienz und Abwehrbereitschaft erhöhen. Damit will man sich auch gegen Versuche Chinas schützen, das Bündnis zu spalten. Als konkrete Bedrohungen werden eine undurchsichtige militärische Aufrüstung, böswillige Cyberangriffe und Desinformation genannt. Wie auch bei Russland wird allerdings festgehalten, dass die Nato für konstruktive Gespräche zur Wahrung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses offen bleibt.

Sich selbst beschreibt die Nato im Vorwort zum Konzept als «ein Bollwerk» der regelbasierten internationalen Ordnung. «Wir bleiben fest entschlossen, unsere eine Milliarde Bürger zu schützen, unser Gebiet zu verteidigen und unsere Freiheit und Demokratie zu sichern», heisst es dort.

Aufnahmeverfahren von Finnland und Schweden in die Nato gestartet

Die Nato hat offiziell das Verfahren zur Aufnahme von Finnland und Schweden gestartet. Nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA stimmten am Mittwoch beim Gipfeltreffen in Madrid alle Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten den Plänen zu.

Erst am Vorabend hatte die Türkei ihre Blockade gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden aufgegeben - im Gegenzug für Zugeständnisse der nordischen Länder.

Bis Finnland und Schweden tatsächlich Mitglieder der Allianz sind, dürfte es jedoch noch einige Monate dauern. Die Beitrittsprotokolle sollen nach derzeitiger Planung am kommenden Dienstag unterzeichnet werden. Danach müssen diese noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Bis alle 30 Alliierten dies erledigt haben, könnte es Schätzungen zufolge sechs bis acht Monate dauern. 

(log/sda)

veröffentlicht: 29. Juni 2022 14:24
aktualisiert: 29. Juni 2022 15:21
Quelle: Today-Zentralredaktion

Anzeige
Anzeige