Parlament entzieht Kurz das Vertrauen

27.05.2019, 19:33 Uhr
· Online seit 27.05.2019, 16:17 Uhr
Die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz ist nach knapp anderthalb Jahren beendet. Dem 32-jährigen Chef der konservativen ÖVP und seiner Regierung wurde vom Parlament das Vertrauen entzogen. Es wird voraussichtlich im September Neuwahlen geben.
René Rödiger
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Die Koalition zwischen der konservativen ÖVP von Kurz und der rechtspopulistischen FPÖ war nach der Veröffentlichung des sogenannten Ibizia-Videos vor zehn Tagen zerbrochen, für September waren bereits vorgezogene Parlamentswahlen geplant.

Erstes erfolgreiches Misstrauensvotum

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Republik Österreich, dass ein Misstrauensvotum im Parlament erfolgreich war. Als nächstes ist es nun an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, die Regierung zu entlassen und bis zu den Neuwahlen eine Expertenregierung zu benennen.

Die FPÖ hatte zunächst offen gelassen, ob sie gegen Kurz stimmen wird. Am Montag dann kündigte der designierte FPÖ-Chef Nobert Hofer an, dass seine Partei den umfassenden Misstrauensantrag der SPÖ unterstütze.

Auslöser der politischen Krise in Österreich war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.

Der 32-Jährige Kurz habe mit seiner rein auf den Ausbau seiner Macht angelegten Politik jeden Kredit verspielt, argumentierten Redner der Opposition auf einer Sondersitzung des Parlaments. Das Vorgehen des Kanzlers sei stattdessen ein «schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach der Macht», sagte die Parteivorsitzende der Sozialdemokraten Pamela Rendi-Wagner.

Sieger bei Europawahl

Auch der haushohe Sieg der ÖVP bei der EU-Wahl am Sonntag hielt sozialdemokratische SPÖ und die rechte FPÖ nicht von ihrem Vorhaben ab. Jetzt ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Er kann die aktuelle Regierung noch für kurze Zeit im Amt belassen oder auch gleich einen neuen Übergangskanzler mit der Bildung eines Kabinetts beauftragen.

Als ein möglicher Name für einen Übergangskanzler bis zu den geplanten Neuwahlen im September wird der ehemalige EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler gehandelt.

Schon im Wahlkampf-Modus

Kurz stimmte wenige Stunden nach dem Misstrauensvotum gegen ihn und seine Regierung seine Anhänger auf den anstehenden Wahlkampf ein. «Ich bin noch immer hier», rief er seinen Konkurrenten zu, die ihn am Nachmittag im Parlament aus dem Amt gedrängt hatten. «Am Ende des Tages, im September, da entscheidet in einer Demokratie das Volk - und darauf freue ich mich.»

Für Wut, Hass und Trauer nach dem vorzeitigen Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung gebe es keinen Grund, erklärte Kurz. Stattdessen sollten die Anhänger die demokratische Entscheidung des Parlaments respektieren. Die ÖVP werde die Übergangsregierung, die der Bundespräsident nun einsetzen muss, bedingungslos unterstützen.

veröffentlicht: 27. Mai 2019 16:17
aktualisiert: 27. Mai 2019 19:33
Quelle: SDA/red.

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