Rechtsstreit um ein Symbol

04.07.2019, 14:40 Uhr
· Online seit 04.07.2019, 14:26 Uhr
Der wohl bekannteste aller gallischen Hähne steht derzeit vor Gericht: Das stolze «Kikeriki» des französischen Gockels Maurice erregt seine Nachbarn so sehr, dass sie einen Prozess gegen den Hahn und seine Besitzerin angestrengt haben.
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Am Freitag soll das Urteil fallen. Für viele Franzosen symbolisiert der bizarre Rechtsstreit den Kampf um ein ländliches Frankreich, das immer stärker bedroht ist.

Die Gerichtsanhörung am Donnerstag im westfranzösischen Rochefort sorgte für tierisches Theater: Mehrere Maurice-Fans waren mit ihren eigenen Hähnen erschienen, um Solidarität zu bekunden. Diese stolzierten vor dem Gerichtsgebäude auf und ab. «Das Land lebt und macht Lärm - der Hahn auch», hatte ein Halter trotzig auf ein Pappschild geschrieben.

Die Kläger haben ein Ferienhaus auf der Insel Oléron an der französischen Atlantikküste, die für ihr mildes Klima und ihre langen Sandstrände bekannt ist. Das Rentnerpaar wirft Hahn Maurice vor, es mit seinem frühen Morgengruss regelmässig um den Schlaf zu bringen. «Sie wollen einfach nur Ruhe und Frieden», sagt ihr Anwalt. Maurice gehöre nachts eingesperrt. «Schliesslich handelt es sich um eine Wohnsiedlung, wir sind hier nicht auf dem Land.»

Der Besitzerin von Maurice, Corine Fesseau, schwillt bei solchen Worten der Kamm: «Wenn mein Hahn sprechen könnte, würde er sagen: lasst mich in Ruhe singen!» Denn im Französischen «kräht» der Hahn nicht, er «singt».

Und gegen das Singen kann doch niemand etwas haben, meint Fesseau, die selbst für ihr Leben gerne Lieder trällert. Die grauhaarige Dame lebt bereits seit 35 Jahren auf der Insel Oléron und hat seit einigen Jahren eine kleine Hühnerzucht. Ihr viertes Hühnchen entpuppte sich allerdings als waschechter Hahn. Maurice kräht standesgemäss jeden Morgen ab 6.30 Uhr, wie Fesseau auch freimütig einräumt.

Das Problem: Der Hühnerstall ist nur wenige Meter vom Schlafzimmer der Kläger entfernt. Eine aussergerichtliche Einigung zwischen den Streithähnen scheiterte, deshalb nun der Prozess. Zu diesem erschienen die Kläger allerdings nicht, offenbar war ihnen das Medieninteresse zu gross.

Das Gerichtsverfahren gegen den Gockel bewegt ganz Frankreich, der Hahn ist schliesslich Wappentier des Landes. Zudem symbolisiert es den ewigen Konflikt zwischen Landbewohnern und Zugezogenen. Deshalb schlägt der Prozess auch höhere Wellen als ein ähnliches Verfahren im brandenburgischen Dorf Zitz, bei dem ein lärmempfindlicher Anwohner 2016 von einem Züchter ein «Ausgehverbot» für seine Hähne forderte.

Die «New York Times» schrieb von einem regelrechten «Kulturkampf» in Frankreich. Der Bürgermeister eines französischen Dorfes unweit von Rochefort hat bereits eine Initiative angekündigt, um Geräusche auf dem Land als «nationales Kulturerbe» unter Schutz stellen zu lassen.

Hahn Maurice blieb dem Prozessauftakt fern - er leidet nach Angaben seiner Halterin unter «Stress» und akuter Heiserkeit. Diese hat bereits dazu geführt, dass er nicht mehr so häufig kräht. Aber noch können die Nachbarn nicht frohlocken: Denn als Folge einer Bronchitis hat der Hahn nun laut seiner Besitzerin eine neue Angewohnheit: Er schnarcht.

veröffentlicht: 4. Juli 2019 14:26
aktualisiert: 4. Juli 2019 14:40
Quelle: SDA

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