Lago Maggiore

Seilbahn-Unglück mit 14 Toten: Wurde das Notbremssystem manipuliert?

26.05.2021, 08:20 Uhr
· Online seit 23.05.2021, 14:16 Uhr
Auf der italienischen Seite des Lago Maggiore ist am Sonntag eine Seilbahnkabine abgestürzt. Dabei sind 14 Menschen ums Leben gekommen, niemand aus der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft hat am Mittwochmorgen drei Personen festgenommen – geprüft wird, ob das Notbremssystem manipuliert wurde.

Quelle: CH Media Video Unit / AP Video

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Am Pfingstsonntag gegen 13 Uhr kam es etwa 100 Meter von der Bergstation entfernt beim letzten Masten der Seilbahn auf den Monte Mottarone auf der italienischten Seite des Lago Maggiore zum Seilbahn-Unglück. Die Polizei ging vorerst davon aus, dass der Grund ein Kabelriss im obersten Bereich der Strecke war.

Gemäss Angaben der Bergrettung stürzte die Seilbahn aus relativ grosser Höhe in eine Waldschneise. Sie wurde am Boden zerschmettert. Da das Gelände steil und unwegsam ist, gestaltete sich die Bergung schwierig. Es standen zahlreiche Rettungskräfte im Einsatz, darunter auch Helikopter.

Die Seilbahn hatte den Betrieb erst vor einem Monat wieder aufgenommen. Zwischen 2014 und 2016 war sie wegen Renovationsarbeiten nicht in Betrieb.

Nach dem Unfall waren zwei schwer verletzte Kinder noch per Hubschrauber in eine Klinik in Turin geflogen worden, wo eines von ihnen noch am Abend starb und sich so die Zahl der Toten auf 14 erhöhte. Das zweite Kind - ein fünfjähriger Junge, der schwere Frakturen an den Beinen erlitten hatte - wurde am Abend operiert und stabilisiert, berichtete die Agentur Adnkronos.

Wurde das Bremssystem manipuliert?

Am Mittwochmorgen meldet die Staatsanwaltschaft, dass drei Personen vorläufig festgenommen wurden. Dabei handele es sich um Mitarbeiter des Seilbahnbetreibers Ferrovie del Mottarone, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Mittwochmorgen. Die Personen werden verdächtigt, das Notbremsesystem an der verunglückten Gondel wissentlich manipuliert zu haben, um zu verhindern, dass die Bahn ihren Dienst eintellen musste. Offenbar hätten die Betreiber bereits seit Ende April von Problemen an der Kabine gewusst. So sei eine Vorlegegabel montiert worden, die den Bremsmechanismus aussetzte. Die Gondel fuhr demnach sei der Wiedereröffnung des Betriebs ohne Bremsen.

Die Mängel hätten behoben werden müssen, dies hätte eine längere Schliessung bedeutet. Das wollten die Betreiber anscheinend verhindern. Völlig ungeklärt bleibt indessen die Frage, warum das Zugseil gerissen ist. Der Seilriss war der Auslöser des Unfalls.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass eine Videokamera auf dem Dach der Endstation die letzten Sekunden des Unfalls dokumentiert hat. Darauf sieht man offenbar, wie die Gondel nur noch einige Meter vom Ziel entfernt war, als das Seil riss, und dann mit grossem Tempo zurückrollte. Ermittlerin Bossi sprach davon, dass die Gondel 100 Stundenkilometer erreicht habe und nach dem Aufprall mit dem Pfeiler mehr als fünfzig Meter in die Luft geschleudert worden sei.

Draghi spricht Beileid aus

«Mit grosser Trauer habe ich von dem tragischen Unfall der Stresa- Mottarone-Seilbahn erfahren», teilte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi mit. Er spreche den Familien der Opfer sein Beileid aus. Staatspräsident Sergio Mattarella sprach von einem «tiefen Schmerz», den das Unglück ausgelöst habe. Auch Aussenminister Luigi Di Maio und andere Minister aus dem Kabinett Draghi zeigten sich via Twitter bestürzt über das Unglück.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach den Familien der Opfer per Twitter «Europas tiefes Mitgefühl» aus. EU-Ratspräsident Charles Michel und der EU-Parlamentspräsident David Sassoli drückten ebenfalls ihre Anteilnahme aus.

Der Präsident der Region Piemont, Alberto Cirio, forderte bei «Rainews 24» die Aufklärung des Unglücks. Italien sei ein Land der Sicherheit. Erst seit Samstag dürfen in Italien die Seilbahnen wieder nach Monaten der Schliessung wegen der Corona-Pandemie ihren Betrieb für Ausflügler aufnehmen. Das hatte die Regierung kürzlich beschlossen. Italien will schrittweise die Corona-Beschränkungen lockern. Die Touristen-Saison soll ab Juni beginnen können. Zuletzt wurde auch die nächtliche Ausgangssperre verkürzt und die Aussengastronomie geöffnet.

Die gesamte Gegend um den Lago Maggiore zieht viele Urlauber an. Der Monte Mottarone gehört zu den beliebten Ausflugszielen an dem See. «In zwanzig Minuten vom See zum Berg», damit wirbt die Seilbahn Funivia Stresa-Alpino-Mottarone auf ihrer Webseite. Das Panorama auf dem Gipfel soll zu einem der schönsten gehören. Im Winter kommen Ski-Sportler in die Gegend. Im Sommer sind viele Wanderer dort unterwegs.

(SDA/red.)

veröffentlicht: 23. Mai 2021 14:16
aktualisiert: 26. Mai 2021 08:20
Quelle: PilatusToday

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