Spanien steht langwierige Regierungsbildung bevor

29.04.2019, 15:20 Uhr
· Online seit 29.04.2019, 04:19 Uhr
Nach dem Wahlsieg der Sozialisten zeichnen sich in Spanien langwierige Koalitionsverhandlungen ab. Eine Entscheidung wird wohl erst im Juni fallen, wie die Regierungspartei PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez am Montag ankündigte.
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Die sozialdemokratische PSOE wurde am Sonntag zwar mit 29 Prozent mit grossem Abstand stärkste Kraft und konnte so ein rechtes Regierungsbündnis unter Beteiligung der rechtsextremen Vox verhindern. Um weiter regieren zu können, ist sie aber auf Bündnispartner angewiesen.

Die Spanier müssen sich nun auf wochenlange Koalitionsgespräche einstellen. Sánchez' Partei liess durchblicken, dass vor den Europa- und Kommunalwahlen Ende Mai keine Entscheidung fallen wird. Die PSOE wolle den Ausgang dieser Abstimmungen abwarten, sagte Parteipräsidentin Cristina Narbona am Montag. «Wir haben keine Eile.»

Die Sozialisten gewannen nach Auszählung fast aller Stimmen 123 der 350 Abgeordnetenmandate. Im Vergleich zu den letzten Wahlen 2016 konnten sie 38 Mandate hinzugewinnen. Sie blieben aber weit unter der absoluten Mehrheit von 176 Sitzen.

Sánchez trat am Sonntagabend auf dem Balkon des PSOE-Hauptquartiers in Madrid vor jubelnde Anhänger. «Die sozialistische Partei hat die Wahlen gewonnen, und mit ihr hat die Zukunft gewonnen und die Vergangenheit verloren», sagte der Ministerpräsident.

Auch das Mitte-rechts-Bündnis Ciudadanos konnte kräftig zulegen und gewann mit knapp 16 Prozent der Stimmen 57 Sitze (Wahl 2016: 32 Sitze). Die linksalternative Podemos erlitt deutliche Verluste und stellt künftig 42 Abgeordnete (2016: 67).

Die rechtsextreme Partei Vox gewann mit rund zehn Prozent der Stimmen 24 Abgeordnetenmandate. Damit zieht erstmals seit dem Tod von Diktator Francisco Franco eine Rechtsaussen-Partei ins Madrider Parlament ein. «Vox ist gekommen, um zu bleiben», sagte Parteichef Santiago Abascal am Sonntagabend.

Der grosser Wahlverlierer ist die konservative Volkspartei PP mit knapp 17 Prozent: Sie verlor mehr als die Hälfte ihrer Parlamentsmandate und stellt künftig nur noch 66 Abgeordnete. Es ist eine der grössten Wahlschlappen in der Geschichte der früheren Regierungspartei.

Das schlechte Ergebnis der PP macht ein rechtes Bündnis unmöglich. Zusammen mit Vox und Ciudadanos kommt die frühere Regierungspartei auf 147 Abgeordnete und verpasst damit die absolute Mehrheit deutlich.

Sánchez regiert Spanien seit Juni 2018. Er hatte den konservativen Ministerpräsident Mariano Rajoy von der PP, dessen Partei durch Korruptionsaffären geschwächt war, durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Der 47-Jährige hat nun mehrere Optionen. Er könnte versuchen, weiter eine Minderheitsregierung zu führen oder ein Bündnis mit anderen Parteien zu schmieden.

Zusammen mit den Ciudadanos hätte die PSOE zwar eine absolute Mehrheit. Eine solche Koalition ist aber unwahrscheinlich. Ciudadanos-Chef Albert Rivera hatte im Wahlkampf versprochen, Sánchez von der Macht zu «vertreiben». Anhänger der Sozialisten riefen noch am Sonntagabend vor dem Parteisitz «Nicht mit Rivera».

Naheliegend wäre eine Koalition der Sozialisten mit der linken Podemos. Ihr Chef Pablo Iglesias sagte vor Anhängern, die Bildung einer solchen Koalition würde wohl «viel Zeit in Anspruch nehmen».

Für eine Regierungsmehrheit müsste Sánchez neben Podemos auch kleinere regionale Gruppierungen wie die baskischen Nationalisten oder katalanische Unabhängigkeitsbefürworter mit ins Boot holen. Letztere waren es allerdings auch, die im Februar Neuwahlen erzwungen hatten, indem sie den Haushaltsentwurf der Sozialisten nicht mittrugen.

Die EU-Kommission wertete die Parlamentswahl als Votum für Europa. Die «überwältigende Mehrheit» der Spanier habe «für politische Parteien gestimmt, die klar pro-europäisch sind», sagte ein Sprecher am Montag. Die EU-Kommission sei «zuversichtlich», dass Sánchez «eine stabile, pro-europäische Regierung» bilden könne.

An der Börse sorgte das Wahlergebnis für Verunsicherung: Der Madrider Leitindex Ibex verlor 0,7 Prozent und war damit eines der schwächsten Börsenbarometer in Europa.

veröffentlicht: 29. April 2019 04:19
aktualisiert: 29. April 2019 15:20
Quelle: SDA

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