Streit um Insel

Wieso sind Taiwan und China verfeindet? Der Konflikt, erklärt in 6 Punkten

05.08.2022, 09:24 Uhr
· Online seit 05.08.2022, 06:49 Uhr
Die Welt schaut gebannt auf den Konflikt zwischen Taiwan und China. Doch worum gehts überhaupt? Und welche Folgen hätte ein Krieg? Die sechs wichtigsten Punkte kurz erklärt.

Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli

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1. Was ist passiert?

Im Konflikt um Taiwan hat China die grösste militärische Machtdemonstration seit Jahrzehnten anlaufen lassen. Die Manöver in sechs Sperrgebieten rund um die demokratische Inselrepublik, die seit Donnerstag in Gang sind, zielen auf eine Luft- und Seeblockade.

Sie könnten auch Modell für eine gewaltsame Eroberung sein. Dabei wurden nach chinesischen Angaben auch Raketen für «Präzisionsschläge» abgefeuert. Die Muskelspiele sollen Taiwan vor weiteren Bestrebungen nach Unabhängigkeit abschrecken. Zudem sind sie eine Warnung an die USA, sich aus dem Streit herauszuhalten.

In der Taiwanstrasse, die die Insel vom Festland trennt, sowie östlich der Insel wurden weit reichende Geschosse abgefeuert, wie das östliche Militärkommando der Volksbefreiungsarmee mitteilte. «Alle Raketen haben ihre Ziele genau getroffen», sagte ein Sprecher. Nach taiwanischen Angaben hat China Raketen vom Typ «Dongfeng» (Ostwind) im Einsatz. Die taiwanischen Streitkräfte sind weiter in Kampfbereitschaft. Das Verteidigungsministerium in Taipeh erklärte, alle sechs Manövergebiete sowie vorgelagerte Inseln würden überwacht.

2. Wie hat alles angefangen?

Taiwan und China gehen seit dem Jahr 1949 getrennte Wege. Damals endete der chinesische Bürgerkrieg und der kommunistische Revolutionär Mao Zedong rief die Volksrepublik China aus. Seine nationalistischen Gegenspieler zogen sich hingegen auf die Insel Taiwan zurück und gründeten dort die Republik China. Beide Kriegsparteien vertreten die Ansicht, das «wahre» China zu sein.

In den 50er Jahren kam es noch zu militärischen Konflikten zwischen Taiwan und China, ab den 80er Jahren folgte dann die langsame Versöhnung, die wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde nach und nach ausgebaut. 2010 noch unterzeichneten die beiden Staaten ein Rahmenabkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Doch dann kam die Verschlechterung.

3. Wieso flammte der Konflikt wieder auf?

Während sich Taiwan zu einer der stabilsten Demokratien in Asien entwickelt hat, pochte China stets darauf, dass Taiwan ein Teil Chinas sei. Für die demokratische Gesellschaft Taiwans ist dies jedoch unvorstellbar – in den vergangenen Jahren betonte die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen stets die politische Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung.

Für China und insbesondere Staatspräsident Xi Jinping eine Provokation – seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 machte er immer wieder deutlich, dass es zu Chinas Zielen gehöre, Taiwan wieder in die Volksrepublik einzugliedern. Er drohte indirekt mit militärischen Mitteln:

Dass nun US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi der Insel einen Besuch abgestattet hatte, liess den Konflikt wieder aufflammen. China reagierte mit scharfem Protest und kündigte sogleich Truppenübungen rund um Taiwan an, zudem verletzten mehrere chinesische Kampfjets den Luftraum von Taiwan.

4. Wer anerkennt überhaupt Taiwan?

Es sind nicht viele Staaten. Wie bereits angetönt, vertritt Peking den Standpunkt, dass es nur ein China gibt und Taiwan ein Teil davon sei. Die chinesische Regierung setzt weltweit Staaten unter Druck, sich Peking anzunähern und die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen. Mittlerweile unterhalten nur noch 14 Länder diplomatische Beziehungen zur Insel. Die Schweiz gehört nicht dazu. Seit 1950 verfolgt man hierzulande die Ein-China-Politik und möchte Taiwan nicht als unabhängigen Staat anerkennen.

5. Welche Folgen hätte ein Krieg?

Falls sich der gegenwärtige Konflikt zu einem Krieg wandeln würde, hätte dies fatale Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Taiwan ist nämlich systemrelevant für Lieferketten. Die grössten Chiphersteller haben ihren Sitz auf der Insel. Peter Bachmann, Leiter der Schweizer Handelskammer in Shanghai, sagt gegenüber «Blick» sogar: «Ein militärischer Konflikt in Taiwan hätte viel schwerwiegendere Folgen für die Weltwirtschaft als der aktuelle russische Angriffskrieg in der Ukraine.»

6. Wie wäre die Schweiz betroffen?

Unternehmen in der Schweiz würden einen Krieg direkt spüren. Viele Branchen sind nämlich auf Taiwans Chips angewiesen. Bachmann sagt: «Wenn keine Chips mehr exportiert werden können, dann spüren das auch die Unternehmen in der Schweiz.» Doch Experten gehen kaum von einem Krieg aus: Die Kosten dafür wären viel zu hoch, als dass sich der Nutzen einer Invasion lohnen würde.

(jaw/sda)

veröffentlicht: 5. August 2022 06:49
aktualisiert: 5. August 2022 09:24
Quelle: Today-Zentralredaktion

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