«Wir sind unheimlich erschrocken»

29.03.2018, 18:08 Uhr
· Online seit 29.03.2018, 15:32 Uhr
Ungläubigkeit und viele Gerüchte: Ein Appenzeller Gymnasiast erzählt, wie es war, als plötzlich die Staatsanwaltschaft auftauchte und vom FBI-Fund eines Kinderpornos auf dem Smartphone eines Mitschülers berichtete. Ein Tag nach dem Infoanlass bestätigt der Jugendanwalt, dass das Video aus Deutschland stammt.
Laurien Gschwend
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«Wir haben überhaupt nicht gewusst, was gleich auf uns zukommt», sagt ein Jugendlicher aus Appenzell, der anonym bleiben möchte. Am Mittwochmittag wurde die Schülerschaft des Gymnasiums St.Antonius in Appenzell zu einer kurzfristigen Informationsveranstaltung im Theatersaal geladen. «Ein Kantonspolizist und ein Jugendanwalt waren da. Sie erzählten, das FBI habe sich eingeschalten.» Die Reaktion der Schülerinnen und Schüler sei im ersten Moment Gelächter gewesen. «Der Jugendanwalt meinte dann, es gebe keinen Grund zu lachen.»

Von den USA nach Appenzell

Damit hatten die Beamten recht: Die Innerrhoder Polizei hatte bei einer Hausdurchsuchung auf dem Handy eines Minderjährigen kinderpornografisches Material gefunden. Dies, nachdem der Schüler das Video vom Server des Gymnasiums aus auf Social Media gestellt hatte. Eine amerikanische Kinderschutz-Organisation wurde auf den Inhalt aufmerksam, wandte sich damit an die Ermittler des FBI, welche sich mit der Schweizer Bundeskriminalpolizei und den Innerrhoder Behörden in Verbindung setzten.

Mit einer solchen Nachricht hatte an der Schule niemand gerechnet, sagt der Leserreporter. «Wir sind unheimlich erschrocken. Zuerst dachten wir noch, wir hätten es an der Fasnacht etwas übertrieben.» Jetzt, wo bekannt ist, dass ein Mitschüler ein Pornovideo verbreitet hat, sei die Situation angespannt. «Alle sprechen darüber und es gehen lauter Gerüchte um.»

Video stammt ursprünglich aus Deutschland

So rede man von fünf bis acht Leuten, die das Video weitergeschickt haben. «Ich selber habe das Video nicht gesehen», sagt der FM1Today-Leser. Es werde spekuliert, dass der ursprüngliche Absender ein Appenzeller sei.

Dem ist nicht so. Jugendanwalt Caius Savary bestätigt gegenüber FM1Today, dass es sich beim Kinderporno um ein Video aus Deutschland handelt, das bereits vor zweieinhalb Jahren im St.Galler Schulhaus Grossacker aufgetaucht ist. Darin sind zwei bekleidete Buben zu sehen, die einander unter dem T-Shirt an die Brust fassen. Am Ende ist kurz das Glied eines Kindes ersichtlich.

Der Appenzeller Schüler wurde mittlerweile befragt. Savary geht nicht von einer krimineller Absicht, sondern «Unüberlegtheit» aus. Der Minderjährige habe das Video auf einer der Social-Media-Plattformen Facebook, Instagram oder Twitter gepostet.

«Ein schweres Delikt»

Nach dem Infoanlass sind laut dem Leserreporter alle Schülerinnen und Schüler nach Hause gegangen, um das eigene Handy nach sensiblen Aufnahmen zu durchsuchen. Die Staatsanwaltschaft will, statt weitere Smartphones einzuziehen, in den nächsten Wochen Stichproben machen, um auf weitere prekäre Inhalte aufmerksam zu werden. «Gewissen Kindern und Jugendlichen war, zumindest bis heute, nicht unbedingt klar, dass es sich beim Besitz von kinderpornografischen Dateien um ein schweres Delikt handelt», erklärt Savary.

«Wir sind jetzt ziemlich panisch», sagt der Leserreporter. Er und seine Kolleginnen und Kollegen müssten auch Bilder und Videos löschen, auf denen beispielsweise ein unernst gemeinter Streit zwischen Kumpels zu sehen sei. Caius Savary rät den Gymnasiasten, mit dem Handy zur Polizei zu gehen oder die Inhalte auf dem Gerät sofort zu löschen. Aber: «Es ist wie Müll im Meer. Solche Sachen verschwinden nicht einfach.»

Registriert beim FBI

Auf den Schüler, auf dessen Smartphone das Video gefunden wurde, warten Konsequenzen: Er wird möglicherweise beim FBI registriert, was eine USA-Einreise erschweren oder verunmöglichen könnte. Seine Geräte werden eingezogen und ausgewertet - das kostet jeweils etwa 300 Franken - zusätzlich muss er die Verfahrenskosten tragen und voraussichtlich eine persönliche Arbeitsleistung vollbringen. Das grosse Medienecho bilde bereits einen Grossteil der Strafe, ist Savary überzeugt.

veröffentlicht: 29. März 2018 15:32
aktualisiert: 29. März 2018 18:08

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