Der Weg ist das Ziel

· Online seit 09.09.2018, 07:06 Uhr
Für sechs Personen eine Reise von St.Gallen nach Mailand mit den SBB buchen? Das ist gar nicht so einfach. Die Geschichte einer Odyssee.
René Rödiger
Anzeige

Es soll ein gemütliches verlängertes Wochenende geben. Ein bisschen Sightseeing, guter Wein, feines Essen und Shopping in Mailand. Abfahrt ist am Donnerstag in St.Gallen, Rückkehr am Sonntag. Sechs Personen sind dabei, vier davon über 60 Jahre und alle haben ein Halbtax.

Tönt simpel. Ist es aber nicht. Zumindest wenn man diese Zugreise bei den SBB buchen will. Hier die unglaubliche Geschichte vieler Stunden und noch mehr Nerven in fünf Akten.

1. Akt: Online geht es (nicht) einfacher

Wie so ziemlich jeder Mensch will ich die Mailand-Reise über sbb.ch buchen. Die Verbindungen sind rasch gefunden. Ich gebe für alle sechs Personen das Alter und die Ermässigung (Halbtax) an - und scheitere.

Die SBB informieren mich darüber, dass solche Buchungen online nur bis fünf Personen möglich sind. Wieso auch immer. Als Alternative werden mir der Bahnschalter oder die Hotline angeboten.

2. Akt: Nichts geht über persönlichen Kontakt

Am Bahnschalter angekommen, sieht es nach einer einfachen Angelegenheit aus. Ich ziehe eine Nummer und bin gemäss Anzeigetafel schon in weniger als fünf Minuten an der Reihe. Mailand, ich komme!

Rund 30 Minuten später werde ich an den Schalter 5 gerufen. Ich erkläre mein Problem. «Das kann ich nicht glauben. Sechs Personen müssten online möglich sein», meint der sehr freundliche Mann der SBB. Er versucht es. Und scheitert wie ich schon zuvor.

Also auf die «altmodische» Art. Doch halt! Der SBB-Reiseberater hat noch einen Tipp für mich: «Bei mir bezahlen Sie für jedes Ticket zehn Franken Gebühr. Für diese 60 Franken trinken Sie in Mailand eine schöne Flasche Wein. Buchen Sie besser über die Hotline, dort ist das gratis und Sie können die Billetts bei mir abholen.»

Das tönt doch gut!

3. Akt: Einfach über das Telefon

Zu Hause melde ich mich bei der SBB-Hotline. Nachdem ich mich durch mehrere Optionen gewählt habe («Für Deutsch wählen Sie die 1», «Für Anfragen zum Reiseplan wählen Sie die 3», «Für Reservationen wählen Sie die 1», ...) ist es soweit: Ich sollte meine Reise buchen können.

Doch ganz so einfach machen es mir die SBB nicht. «Alle unsere Mitarbeiter sind derzeit beschäftigt. Rufen Sie später nochmals an.»

Ein erstes Mal fühle ich mich ein bisschen im Stich gelassen. Fällt die Reise ins Wasser? Oder sollten wir doch besser mit zwei Autos nach Mailand?

Zwischenakt: Online, Twitter und die guten Ratschläge

Ein letzter Anlauf über sbb.ch. Wieso nicht einfach 2x3 Tickets kaufen? Dass wir dann womöglich nicht zusammen sitzen, ist kein Problem. Es sieht gut aus. Ich komme weiter als bei meinem ersten Versuch. Allerdings ist «weiter kommen» noch lange nicht genug. Mir wird mitgeteilt, dass Reservationen derzeit online nicht möglich seien. Und in Italien braucht man zwingend Reservationen im Zug. Ich verzweifle.

Um die Zeit zum nächsten telefonischen Anlauf zu überbrücken, schildere ich meine bisherigen Versuche auf Twitter. Wenige Sekunden später melden sich die SBB unter @RailService: «Ich empfehle dir, die Buchungen telefonisch zu machen. [...] Aktuell solltest du uns anrufen können.»

Sofort nehme ich den Hörer in die Hand, wähle mich wieder durch alle Optionen und promt werde ich mit einer SBB-Mitarbeiterin verbunden. «Wie kann ich Ihnen helfen?» - «Grüezi, ich will für sechs Personen eine Reise von St.Gallen nach Mailand buchen. 1. Klasse, alle haben ein Halbtax und vier Personen sind über 60 Jahre alt.» - «Und das wollen Sie gleich hier bei mir machen?» Ich werde ein bisschen unsicher. Wieso hätte ich sonst anrufen sollen? Habe ich irgendwann eine falsche Option gewählt? «Ähm, ja... Ich habe auch alle Unterlagen bereit, weiss die Abfahrtszeiten und die Daten.» - «Sie wissen aber, dass Sie über die Hotline zehn Franken pro Ticket bezahlen? Und ausserdem kommen noch Versandgebühren dazu, falls wir Spartickets verschicken müssen.» - «Am Schalter wurde mir aber gesagt, dass diese Gebühren wegfallen.» - «Das stimmt nicht. Ich empfehle, dass Sie die Tickets am Schalter kaufen, das ist insgesamt günstiger.» Ich verzweifle erneut.

In der Zwischenzeit kommen die «guten Tipps» anderer User auf Twitter. So würde ich zum Beispiel billiger reisen, wenn ich per Flugzeug über Madrid nach Mailand gehe. Flugzeit: 4 Stunden und 40 Minuten.

4. Akt: Zurück auf Feld 1

Unterdessen sind mehrere Stunden vergangen. Die Reise noch immer nicht gebucht. Die Schalter geschlossen.

Doch halt: Gab es da irgendwo im Laufe der Buchung nicht mal ein Formular, über das man eine Offerte anfordern konnte? Diese müsste man ja dann ganz einfach bestätigen und bezahlen können.

Also erneut versuchen, für sechs Personen über sbb.ch die Reise zu buchen. Erneut an der Obergrenze scheitern. Und da ist der Link! Dieses Mal muss ich sogar alle Namen, Geburtstage und Ermässigungen angeben. Nachdem ich das Formular abgeschickt habe, kommt wenige Sekunden später die Bestätigung per Mail. Ich sollte innert 48 Stunden meine Offerte bekommen.

5. Akt: Die Erlösung

Keine 24 Stunden später habe ich das Angebot der SBB im Posteingang und drei Tage Zeit, es zu bestätigen. Was ich natürlich sofort mache. Die Tickets sollte ich per Post zugeschickt bekommen. Ohne Versandgebühren!

Mailand, ich komme!

«Bei Bahnreisen nach Italien gelten ab sechs Personen spezielle Gruppentarife. Wieso das so ist, müssten Sie unsere italienischen Kollegen fragen», sagt Oli Dischoe, Mediensprecher der SBB. Auf diese haben die SBB keinen Einfluss. Dischoe: «Da Gruppenreisen seltener gebucht und je nach Destination und Gruppengrösse mit zusätzlichem Aufwand verbunden sind, können sie nicht online gebucht werden.» Zu den zusätzlichen Gebühren meint Dischoe, dass die Beratung und der Verkauf von internationalen Billetten nicht kostendeckend ist. Ausserdem sei das Onlineformular genügend prominent als Alternative aufgeführt.
veröffentlicht: 9. September 2018 07:06
aktualisiert: 9. September 2018 07:06

Anzeige
Anzeige