Mit Wildschweingeräusche gegen Wildschweine

10.01.2019, 11:10 Uhr
· Online seit 10.01.2019, 10:30 Uhr
Forschende der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften stellen eine Art akustische Wildschweinscheuche vor: Ein Gerät, das Warnrufe der Tiere abspielt. Damit sollen Wildschweine von Landwirtschaftsflächen ferngehalten und Schäden verhindert werden.
Anzeige

Die Wildschweinpopulation der Schweiz wächst und verursacht jährlich Schäden von mehreren Millionen Franken. Gezielte Abschüsse einzelner Tiere vergrämen Wildschweinrotten zwar zeitweilig, sind aber nicht überall so einfach möglich, und Elektrozäune bedeuten hohe Kosten und viel Aufwand für Landwirte.

Deshalb haben Forschende um Stefan Suter von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) einen akustischen Wildschweinschreck entwickelt und getestet. Dieser besteht aus zwei batteriebetriebenen Lautsprechern, die über eine Steuerungsbox Alarm- und Warnrufe der Tiere abspielen.

Hinzu kommen Geräusche, die die Wildschweine mit Gefahr assoziieren, wie die ZHAW am Donnerstag mitteilte. Die Laute werden in zufälliger Abfolge während der Nacht abgespielt. Ein Lichtsensor aktiviert das Gerät bei Einbruch der Dunkelheit und schaltet es bei Sonnenaufgang wieder ab.

Getestet haben die Forschenden ihre Methode auf Feldern in drei Versuchsgebieten beim Neuenburger See, am Klingnauer Stausee und im oberen Fricktal. Dort installierten sie die Lautsprecher für bestimmte Zeiträume und bestimmten mit Drohnenbildern, wie viele Schäden durch Wildschweine in der Zwischenzeit dazu gekommen waren.

Auf Feldern mit dem Wildschweinschreck kamen deutlich weniger Schäden hinzu als auf solchen ohne Präventionsmassnahmen, erklärte Suter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Einen hundertprozentigen Schutz gab die Methode allerdings nicht, ebenso wie andere Massnahmen wie Abschüsse und Elektrozäune.

«Besonders wirksam ist die Kombination verschiedener Methoden», so Suter. Wo der Wildschweinschreck installiert war, sind die Tiere demnach vorsichtiger und überrennen beispielsweise nicht einfach einen Elektrozaun. Und wo einmal ein Tier geschossen wurde, lässt sich die Rotte von den Warnrufen aus dem Lautsprecher wirksamer vergrämen.

Die Kombination sei auch deshalb sinnvoll, weil sich die Tiere nach etwa einem Monat an die Warnrufe aus dem Lautsprecher gewöhnen und merken, dass keine echte Gefahr besteht, führt der ZHAW-Forscher aus. Der Wildschweinschreck wäre aber insbesondere in sensiblen Phasen nützlich, zum Beispiel kurz nach der Aussaat, wenn der Boden aufgelockert und für die Futtersuche leicht zugänglich für Wildschweine ist.

«Einen Elektrozaun zu installieren bedeutet mehrere Stunden Arbeit, und das in einer Phase, in der Landwirte ohnehin sehr beschäftigt sind. Einen Pfahl einzuschlagen und die Lautsprecher aufzuhängen dauert nur 15 Minuten», so Suter. So könnte der Wildschweinschreck als kurzfristige Massnahme helfen, Rotten vom frisch bearbeiteten Feld fernzuhalten.

Der Wildschweinschreck ist zwar kostengünstiger als ein Elektrozaun, schlägt aber immer noch mit etwa 1000 Franken pro Gerät zu Buche, schätzte Suter. Da Bauern für Wildschweinschäden entschädigt werden, bestünde aber auch gar keine Motivation für effektive Prävention, kritisiert der ZHAW-Forscher. «Würde man nur zehn Prozent dieser Vergütungen in die Prävention stecken, wären wir schon einen grossen Schritt weiter.»

Dass Bauern ihre Felder nicht vor Wildschweinen schützten, weil der Schaden auf jeden Fall bezahlt werde, führe zu weiterem Bestandswachstum: «Freier Zugang zu diesem Buffet bedeutet viel energiereiches Futter, und bei grossem Nahrungsangebot produzieren Wildschweine viel Nachwuchs.» Es brauche einen ganzheitlicheren Ansatz bei der Prävention, plädiert der ZHAW-Forscher.

Der Wildschweinschreck soll die Palette der Präventionsmethoden ergänzen. Allerdings dürfte er auch nicht für jeden Standort geeignet sein. In der Nähe zu Wohngebieten beispielsweise dürfte die gesetzliche Nachtruhe dem Einsatz der Lautsprecher einen Riegel vorschieben.

Bei mindestens einem Kilometer Abstand zu Wohnhäusern werden die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte jedoch nicht überschritten, in 1,5 Kilometern Entfernung seien gar keine Geräusche vom Wildschweinschreck mehr messbar, halten die Forschenden im Abschlussbericht des Projekts fest.

veröffentlicht: 10. Januar 2019 10:30
aktualisiert: 10. Januar 2019 11:10
Quelle: SDA

Anzeige
Anzeige