Nationalrat verlangt klare Prüfungskriterien beim Informationsaustausch

27.09.2017, 19:00 Uhr
· Online seit 27.09.2017, 15:06 Uhr
Der Nationalrat will den automatischen Informationsaustausch auf 39 weitere Länder ausdehnen. Weil eine Mehrheit aber an der Rechtsstaatlichkeit einzelner Staaten zweifelt, verlangt er höhere Anforderungen an die Datensicherheit.
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Der Bundesrat will den automatischen Informationsaustausch (AIA) über Finanzkonten mit 41 weiteren Staaten und Territorien einführen, darunter China, Russland und den Cayman-Inseln. Die Umsetzung ist für 2018 geplant, die ersten Daten sollen 2019 ausgetauscht werden. Der AIA würde für jeden einzelnen Staat durch einen Bundesbeschluss aktiviert.

Weil Zweifel bestehen, ob alle Staaten die Anforderungen an die Vertraulichkeit und Datensicherheit erfüllen, will der Bundesrat vor dem ersten Datenaustausch einen Lagebericht erstellen und dabei prüfen, ob die Staaten diese tatsächlich erfüllen.

Der vorberatenden Wirtschaftskommission (WAK) geht dies zu wenig weit. Der Vorschlag des Bundesrates sei zu unklar und zu wenig spezifisch formuliert, erklärte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL). Die Kommission hat deshalb klare Kriterien festgelegt, auf deren Grundlage die Prüfung durch den Bundesrat erfolgt.

Konkret soll dieser prüfen, ob der Stand der Vertraulichkeit für die Datensicherheit und den Datenschutz sowie die Rechtsvorschriften im Partnerstaat dem AIA-Standard entsprechen. Weiter dürfen vom Datenaustausch betroffene Personen nicht Verfahren ausgesetzt sein, die schwere Menschenrechtsverletzungen mit sich bringen könnten.

Es sei zentral, die Persönlichkeitsrechte und die Datensicherheit zu wahren, betonte Leutenegger Oberholzer. Eine Möglichkeit biete der individuelle Rechtsschutz, mit dem sich jeder gegen Datenlieferungen wehren könne.

Die Mehrheit im Nationalrat zeigte sich mit der Arbeit der Kommission zufrieden. Zwar bestehe die Gefahr von Datenmissbrauch, sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE). Der Prüfmechanismus biete aber eine gute Basis, um den Bedenken gerecht zu werden. Louis Schelbert (Grüne/LU) versicherte: «Es werden keine Daten ins Blaue hinaus geliefert.»

Hoffnungen setzt der Rat auch in die Erfahrungen derjenigen Länder, welche den AIA früher anwenden als die Schweiz (sogenannte Early Adopter). Daraus könne die Schweiz wichtige Erkenntnisse ziehen, argumentierten mehrere Ratsmitglieder. Der Nationalrat stimmte dem Prüfmechanismus mit 166 zu 18 Stimmen zu.

Anders als die Kommission will er aber explizit festhalten, dass Informationen nur zu dem im Abkommen vorgesehenen Zweck verwendet werden dürfen. Auch muss der Partnerstaat über zufriedenstellende Zustände bei der Korruptionsverhinderung verfügen. Der Rat hiess einen Minderheitsantrag aus den Reihen der SVP mit 129 zu 53 Stimmen gut.

Unbestritten war der Vorschlag, die Mitwirkungsrechte der WAK zu stärken. Die Kommission verlangt, beim Bericht konsultiert zu werden und Empfehlungen an den Bundesrat abzugeben. Der Bundesrat wollte den Prüfbericht den Kommissionen lediglich zur Kenntnis unterbreiten. Finanzminister Ueli Maurer versicherte, der Bundesrat werde nicht gegen den Widerstand beider Kommissionen handeln.

Die SVP forderte einen generellen Marschhalt beim AIA. Der Bundesrat wolle diesen auf teilweise rechtsstaatlich höchst problematische Staaten ausweiten, kritisierte Thomas Matter (ZH). Datenschützer Adrian Lobsiger erachte die Datensicherheit in mindestens 19 der künftigen AIA-Ländern als ungenügend.

Die SVP führte auch die Situation der rund 800'000 Auslandschweizer an. Mit AIA-Abkommen mit korrupten Staaten lasse die Schweiz zu, dass Auslandschweizer wegen ihres angesparten Vermögens erpresst würden, erklärte Magdalena Martullo (GR). «Wir liefern unsere eigenen Leute aus.»

Aus prinzipiellen Gründen stellte sich die SVP gegen jeden einzelnen Beschluss mit den 41 Ländern, kämpfte aber weitgehend auf verlorenem Posten. Der Nationalrat hiess die 39 Beschlüsse mit unterschiedlichen Mehrheiten gut. Mit 95 zu 92 Stimmen bei 4 Enthaltungen lehnte er jenen mit Saudi-Arabien jedoch ab.

Im Falle Neuseelands folgte der Rat der Kommission, den Bundesbeschluss an den Bundesrat zurückzuweisen. Zuerst müsse die Schweiz ein Sozialabkommen aushandeln, befand die Mehrheit. Aus ihrer Sicht sind Schweizer in Neuseeland schlechter gestellt als andere Auslandschweizer, weil ihre Schweizer AHV-Renten von der neuseeländischen Rente abgezogen werden.

Finanzminister Ueli Maurer erklärte, der AIA sei heute alternativlos. Die Schweiz habe die internationalen Spielregeln übernommen. «Etwas anderes ist für eine offene Volkswirtschaft gar nicht möglich.»

Maurer plädierte für eine Portion Pragmatismus. Es sei naiv zu glauben, dass sich der Prozess plötzlich stoppen liesse. Er widersprach auch der Kritik der SVP. Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) begrüsse explizit den AIA.

Die Schweiz hatte den AIA im Jahr 2017 mit 38 Ländern und Territorien eingeführt, darunter mit den EU-Staaten. Mit diesen werden 2018 erstmals Daten ausgetauscht. Die Bundesbeschlüsse für die 41 neuen Staaten folgen dem bisherigen Modell.

Dabei handelt es sich um: Argentinien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Chile, Israel, Neuseeland, Fürstentum Liechtenstein, Kolumbien, Malaysia, Vereinigte Arabische Emirate, Andorra, Färöer-Inseln, Grönland, Monaco, San Marino, Antigua und Barbuda, Aruba, Barbados, Belize, Bermuda, Britische Jungferninseln, Cayman-Inseln, Cookinseln, Costa Rica, Curaçao, Grenada, Marshallinseln, Mauritius, Montserrat, Saint Kitts und Nevis, Saint Lucia, Saint Vincent und die Grenadinen, Seychellen, Turks- und Caicos-Inseln, Uruguay.

veröffentlicht: 27. September 2017 15:06
aktualisiert: 27. September 2017 19:00
Quelle: SDA

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