Urner Regierung schliesst mit Gutachten prominenten Mordfall ab

05.07.2019, 14:40 Uhr
· Online seit 05.07.2019, 09:04 Uhr
Zum Mordprozess gegen einen Erstfelder Barbetreiber hat die Urner Regierung zwei Gutachten vorgestellt: Das eine entlastet die Polizei wegen einer angeblichen Befangenheit, das andere attestiert den Medien eine insgesamt ausgewogene und vielfältige Berichterstattung.
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Der Cabaretbetreiber wurde 2018 schuldig gesprochen, 2010 einen Auftragskiller auf seine damalige Frau angesetzt zu haben. Diese überlebte den Anschlag. Zudem hatte der Barbetreiber 2010 auf einen Gast geschossen, diesen aber verfehlt.

Der Mordfall, der vom Landgericht und drei Mal vom Obergericht behandelt wurde und auch das Bundesgericht mehrmals beschäftigte, zerrte jahrelang die Urner Strafverfolgung und Justiz ans Licht der Öffentlichkeit. Beide Institutionen sahen sich einer teils starken medialen Kritik ausgesetzt. Mit den beiden Berichten solle ein versöhnlicher Schlusspunkt gesetzt werden, sagte der Urner Landammann Roger Nager am Freitag im Landratssaal.

Der Urner Regierungsrat liess vom Institut für Angewandte Medienwissenschaften der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Rolle der Medien untersuchen lassen. Dieses wertete 534 Beiträge aus 19 Medien aus, die zwischen 2010 und 2019 erschienen waren. Zudem führte es mit 15 Personen Interviews.

Den Medien war - auch im Gerichtssaal während des Prozesses - etwa eine einseitige Abhängigkeit von der Verteidigung oder «Rudeljournalismus» im Nachgang der Berichterstattung des SRF-Magazins «Rundschau» vorgeworfen worden. Beide Vorwürfe werden in dem Gutachten nicht bestätigt. Es sei legitim, anwaltschaftlich zu berichten, sagte Gutachter Guido Keel.

Treiber der Berichterstattung waren gemäss des Gutachtens die einzelnen Prozesse und Gerichtsurteile. Die «Rundschau», die den Mordprozess 2014 in die nationale Öffentlichkeit brachte, habe zwar gewisse thematische Aspekte setzen können, erklärte Gutachter Vinzenz Wyss. Die anderen Medien seien ihr aber nicht blind gefolgt, sondern hätten eigene Schwerpunkte gesetzt und Recherchen geleistet.

Insgesamt hätten die Medien thematisch vielfältig über den Prozess berichtet, heisst es in der Studie. Einzelne Themen seien weder systematisch unterdrückt noch überzeichnet worden. Insgesamt sei die Berichterstattung aber eher gegenüber dem Strafprozess kritisch gewesen, erklärte Keel.

Eine unterschiedliche Gewichtung der Themen zu dem Straffall in den einzelnen Medien trug zur Vielfalt bei. Die Gutachter stellten aber eine gewisse «Lagerbildung» fest, auf der einen Seite «Rundschau», «Tages-Anzeiger» und «Watson» sowie auf der anderen «Neue Zürcher Zeitung» und «Weltwoche».

Pannenfrei verlief die mediale Berichterstattung aber nicht. So wurde am Anfang das Gebot der Unschuldsvermutung verletzt, bei einzelnen Recherchen die Privatsphäre. Zudem finden die Gutachter, dass die Staatsanwaltschaft zu defensiv informiert habe.

Ein wichtiges Thema während des Prozesses und in den Medien war eine mutmassliche Befangenheit des leitenden Spurenermittlers. Dieser war 2007 vom Angeklagten wegen eines Vorfalls in seinem Etablissement angezeigt worden, die Strafverfolgung wurde jedoch eingestellt.

Gutachter Daniel Kettiger kommt zum Schluss, dass der Vorfall in der Bar kein Ausstandsgrund gewesen sei. Es habe keine Feindschaft zwischen dem Ermittler und dem Beschuldigten gegeben, sagte er. Auch sei eine Strafanzeige kein zwingender Ausstandsgrund.

Der Chef der Kriminalpolizei hat nach Einschätzung des Gutachters einen vertretbaren Entscheid gefällt, als er das Ersuchen des Spurenermittlers, ihn von diesem Fall abzuziehen, abgewiesen hat. Sein Ermessensspielraum war aber gross. Er hätte den Ausstand auch bejahen können, sagte Kettiger.

Kettiger kam auf Grund der Akten zum Schluss, dass sich der Spurenermittler rechtskonform verhalten habe. Er habe deeskalierend gearbeitet und sei in dem Verfahren zu Unrecht zum Buhmann gemacht worden.

Allerdings kommt das Gutachten zum Schluss, dass die Ausstandsregelungen in Uri veraltet seien. Der Umgang mit Ausstandsfragen innerhalb der Polizei solle verbessert werden. So habe der Kripochef seinen Entscheid, den Spurenermittler weiterhin einzusetzen, nicht schriftlich festgehalten.

veröffentlicht: 5. Juli 2019 09:04
aktualisiert: 5. Juli 2019 14:40
Quelle: SDA

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