Fazit zum Veganuary

Wenn eine Veganerin in einem Bergrestaurant essen geht...

01.02.2023, 09:37 Uhr
· Online seit 01.02.2023, 07:13 Uhr
Einen Monat vegan leben – das ist die Challenge des «Veganuary». 2022 nahmen offiziell schätzungsweise 629'000 Personen weltweit teil. Dieses Jahr war auch ZüriToday-Redaktorin Gioia dabei. Vorweg: Einfach war es nicht.
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Bemitleidende und leicht sarkastische Gesichter starren mir an diesem Montag im Büro entgegen. Ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass ich für die Redaktion tags darauf das beste Käsefondue im Züribiet testen darf. Eigentlich eine super Sache. Wäre da nicht das grosse «V», das schon den ganzen Monat über mir und gefühlt der ganzen Welt schwebt.

Der Grund für die Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen: Meine Antwort auf die Nachricht: «Was? Das darf ich nicht! Ich mache den Veganuary!» Blankes Entsetzen statt Freude – nicht die Reaktion, die geschmolzener Käse (geschweige denn eines der Schweizer Nationalgerichte) bei jemandem auslösen sollte.

Ich versuche, mich 31 Tage lang vegan zu ernähren

Seit dem ersten Januar bin ich einer von hunderttausenden Menschen weltweit, die einen Monat lang auf tierische Produkte verzichten. Der Veganuary wurde 2014 in England ins Leben gerufen und erlangte in den letzten Jahren auch hierzulande eine grosse Bekanntheit.

2022 meldeten sich weltweit über 629'000 Personen für den Veganuary-Newsletter an, wie die gleichnamige Organisation berichtete. Die Idee ist simpel: Während 31 Tage ermuntert die Organisation die Teilnehmenden mit täglichen E-Mails, auf Cordon bleu, Fischstäbchen, Omelette, Raclette und Co. zu verzichten.

Ich bin kein Veganuary-Neuling. Schon vor drei Jahren nahm ich mich der Herausforderung an – und war begeistert! Die Erfahrung machte zwar keine Veganerin aus mir, aber ich bin heute überzeugte Flexitarierin – eigentlich fast schon Teilzeit-Veganerin. Das heisst, ich ernähre mich vegetarisch, mache aber immer mal wieder Ausnahmen für Fleisch und Fisch. Eier und Milchprodukte versuche ich möglichst selten zu essen.

Wieso habe ich mich 2023 erneut für den Veganuary angemeldet?

Besonders strikt war ich in meiner teilzeit-veganen Ernährung in den letzten Monaten nicht. Schuld daran waren vor allem «Weihnachtsguetzli» und Raclette über die Festtage. Deshalb beschloss ich, mich im Januar wieder vegan zu ernähren. Als erfolgreiche Veganuary-Absolventin 2020 dachte ich mir, dass der erneute vegane Januar keine grosse Herausforderung darstellen würde. Falsch gedacht: Jetzt, am Ende des veganen Fastens, hat sich meine Meinung komplett geändert.

Der tägliche Newsletter mit veganen Ernährungstipps und Rezepten war keine Hilfe

Bereits in den ersten Januartagen wurde ich enttäuscht. Die Veganuary-Mails, die in mein Postfach flatterten, waren exakt die gleichen wie vor drei Jahren. Das gleiche Informationsblatt darüber, wie man sich pflanzlich gesund ernährt, die gleichen Film- und Literaturtipps, dieselben Rezepte. Der tägliche Newsletter gammelt seither ungelesen in meinem Postfach vor sich hin – genau wie der Frischkäse-Risotto meiner Mitbewohnerin im Kühlschrank, weil ich ihre Reste aus «veganen Gründen» nicht aufessen konnte.

So lief mein – nicht ganz veganer – veganer Januar

Ich möchte es gleich vorwegnehmen: Ich habe «gecheatet», also betrogen, in diesem veganen Januar, und zwar ganze dreimal! Den ersten schwachen Moment hatte ich am 6. Januar. Dem mit viel Liebe (und Butter, Milch und Eiern) gebackenen Dreikönigskuchen meiner Mutter konnte ich einfach nicht widerstehen.

Der Veganuary ist auch echt anstrengend. Man muss stets wachsam sein, sonst unterlaufen einem Fehler. Wenige Tage nach dem Dreikönigstag-Vorfall hatte ich einen Aussetzer: Ich starrte entgeistert auf meinen fast leergegessenen Teller Thunfisch-Salat. Ich hatte komplett vergessen, dass ich mich zurzeit vegan ernährte! Doch es war bereits zu spät und so ergab ich mich (genussvoll) auch noch den letzten Gabeln Thon.

Vegane Einkäufe verlangen eine erhöhte Wachsamkeit

Beim Einkaufen schlich ich am letzten Samstag nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal (!) sehnsüchtig am Regal mit den Eiern vorbei. Denn mittlerweile hatte ich Tofu, Linsen und Bohnen gesehen. Es gibt zwar viele andere vegane Protein-Ersatzprodukte. Aber die sind leider ziemlich teuer und oft ungesund.

Veganuary-Werbung und V-Label erleichtern das Einkaufen

Man muss auch immer einen Blick auf die Zutatenliste verarbeiteter Lebensmittel werfen: Hat sich vielleicht noch ein «Enthält Milch» reingeschlichen? Dieser Prozess kann eine Weile dauern, denn die Listen sind oftmals länger als meine Einkaufsliste. Da freut man sich über Detailhändler, die ihre Produkte mit «Veganuary» bewerben und über Produkte, die das «V-Label» tragen.

Auch der Salat war nicht vegan...

Die Auswahl an veganen Speisen in Zürich ist zwar nicht so gut wie in den Metropolen Berlin oder London, doch mittlerweile gibt es viele Restaurants, die mindestens ein veganes Menü anbieten. Sogar der Sternen-Grill bietet eine vegane Bratwurst an. Anders sieht es auf dem Land aus.

Wer in den Bergen unterwegs ist, weiss: Gute Vorbereitung ist Pflicht. Das gilt besonders für vegane Berggängerinnen und Berggänger. Denn in Bergrestaurants ist die vegane Küche noch immer eine Seltenheit – an Notration ist stets zu denken!

So studierte ich eines schönen Wintertages die Menükarte des Restaurants mit Sonnenterrasse: «Rösti mit Ei», «Rösti mit Bergkäse», «Älplermagronen mit Speck und Bergkäse», «Älplermagronen ohne Speck». Vegan waren einzig die Pommes Frites und der Salat. Hier machte ich meinen dritten Fehler im Veganuary: Ich bestellte den Salat und sah mich mit einer French-Sauce konfrontiert – alles andere als vegan!

«Hut ab» – Veganuary ist stolz auf mich

Es ist der 31. Januar zur Mittagszeit. Ich scrolle wie jeden Tag durch meine unzähligen Mails: Werbung, Social-Media-Benachrichtigungen – Veganuary. «Tag 31 – Du hast es geschafft *Konfettibomben-Emoji*, *Konfettibomben-Emoji*", schreit mir die Betreffzeile entgegen. Meine offiziellen Tage als Veganerin sind damit gezählt. Sie seien stolz auf mich, schreiben die Organisatoren von Veganuary in der Mail. «Enorm» stolz sogar. Und das, obwohl ich dreimal betrogen habe?

Ich fühle mich dennoch, als hätte ich etwas erreicht. Besonders der Schluss der Mail schmeichelt: «Wir möchten dir noch sagen, dass du die letzten Tage wirklich Grossartiges geleistet hast – Hut ab!» Nach dieser Nachricht schmeckt mir auch mein Tofu-Mittagessen gleich viel besser.

Bin ich jetzt Veganerin?

Der Veganuary hat mir erneut gezeigt, wie schwierig es ist, sich strikt vegan zu ernähren. Doch hat sich im Vergleich zu meinem letzten Veganuary vor drei Jahren einiges getan: Dank der grösseren Aufmerksamkeit ist es heute einfacher, vegane Produkte zu finden und das Sortiment in den Läden ist grösser.

Was heisst das aber für meine zukünftige Ernährung? Ich werde mich weiterhin flexitarisch ernähren. Ausserdem werde ich besser darauf achten, in welchen Lebensmitteln tierische Produkte enthalten sind. Trotzdem möchte ich mich nicht zu fest einschränken und mir beim Essen Freiheiten lassen. In diesem Sinne: Fondue-Test, ich komme!

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veröffentlicht: 1. Februar 2023 07:13
aktualisiert: 1. Februar 2023 09:37
Quelle: ZüriToday

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