Das Volk ist grüner als das Parlament

· Online seit 19.10.2015, 12:10 Uhr
Nach dem Rechtsrutsch im Parlament wird die Arbeit für Umweltverbände schwieriger. Sie müssen neue Wege suchen, um grüne Themen aufs politische Parkett zu bringen.
Christine König
Anzeige

Die Grünen und die Grünliberalen haben im Parlament neun Sitze verloren, die Bundesversammlung rutscht nach rechts. Was bedeutet die grüne Wahlschlappe für die tägliche Arbeit von Umweltorganisationen und für ökologische Themen wie die Energiewende?

Umweltthemen nicht ausschlaggebend

Philip Gehri, Medienverantwortlicher WWF Schweiz, geht nach den Wahlen davon aus, dass es schwieriger wird. «Die Arbeit mit der Politik ist wichtig. SVP und FDP haben zugelegt und diese Parteien stimmen fast immer gegen Umweltanliegen. Das macht uns Sorgen.» Doch gebe es auch Gründe, weshalb das gar nicht so schlimm sei, wie es wirke. «Während dieses Wahlkampfs waren Umweltthemen einerseits nicht ausschlaggebend. Andererseits zeigen Umfragen, dass SVP- und FDP-Wähler viel umweltfreundlicher sind als ihre Parteien. Bei Volksabstimmungen ist unsere Ausgangslage deshalb besser.» Ausserdem könnten Parteien an einigen Trends nicht rütteln, etwa an der Tatsache, dass Atomkraftwerke ausgedient haben. «Aus wirtschaftlichen Gründen kann man keine neuen Atomkraftwerke bauen. Es bleiben nur erneuerbare Energien und Energiesparen, um etwas für die Energieversorgung in der Schweiz zu tun. Das kann keine Partei ändern, und das gibt uns Rückenwind für unsere Anliegen.»

Schon bisher unzufrieden mit Parlament

Für Christian Engeli, Kampagnenleiter Greenpeace Schweiz, hat sich mit der neuen Zusammensetzung des Parlaments nicht viel geändert. «Ich war auch mit dem bisherigen Parlament unzufrieden. Es hat fahrlässige Entscheide getroffen, etwa dass die Atomkraftwerke nicht abgestellt wurden.» Gerade in Sachen Energiewende habe bereits das alte Parlament faule Kompromisse geschlossen. «Nun liegen einige gute Sachen auf dem Tisch. Die Angst ist da, dass das neue Parlament diese noch mehr verwässert oder ganz abschiesst.» Engeli sieht ebenfalls Chancen bei Volksabstimmungen, wie etwa bei der Atomausstiegsinitiative, die nächstes Jahr kommen wird. «Wir müssen weiter kämpfen und nicht die Parlamentarier, sondern die Bevölkerung überzeugen. Ich glaube, dass wir etwas verändern können, auch ohne das Parlament.»

Ausserparlamentarische Wege gehen

Rico Kessler, Leiter Politik und Internationales von Pro Natura, nimmt die Gewinnerparteien mehr in der Pflicht, Umweltprobleme anzugehen, zu lösen und im Sinne des Volkes umzusetzen. Für die Umweltverbände werde es nun wohl schwieriger, Umweltthemen aufs Parkett zu bringen. «Wir werden analysieren, ob wir vermehrt ausserparlamentarische Wege gehen werden.» Initiativen und Referenden von Umweltorganisationen würden wohl zunehmen. Die Landschaftsinitiative, die vor vier Jahren das Thema Zersiedelung aufnahm und starken politischen Druck ausgeübt habe, sei ein positives Beispiel. «Solche Themen beschäftigen die Bevölkerung.»

Angesprochen auf die Energiewende sind sich alle drei Vertreter einig: Der Weg dahin werde zwar länger dauern und steiniger werden - aber sie werde definitiv kommen.

veröffentlicht: 19. Oktober 2015 12:10
aktualisiert: 19. Oktober 2015 12:10
Quelle: red

Anzeige
Anzeige