Gab es doch keine Vergewaltigungen?

· Online seit 22.08.2017, 17:10 Uhr
Ein 28-Jähriger stand am Dienstag vor dem Kantonsgericht St.Gallen. Er soll drei seiner Exfreundinnen bedroht, geschlagen und vergewaltigt haben. Die Ex-Freundinnen haben die Vorwürfe der Vergewaltigung wieder zurückgezogen. Auf Druck des Angeklagten?
René Rödiger
Anzeige

Dem Kosovaren wird vorgeworfen, er habe die körperliche und psychische Integrität seiner drei Exfreundinnen missachten, indem er allen Körperverletzungen zugefügt, zwei vergewaltigt und genötigt sowie der Freiheit beraubt habe.

Der 28-Jährige wurde vom Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland im Mai 2016 der mehrfachen Drohung, der mehrfachen Nötigung, der mehrfachen Freiheitsberaubung, der mehrfachen sexuellen Nötigung und der mehrfachen Vergewaltigung schuldig gesprochen. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Ausserdem wurde eine «kleine Verwahrung», also eine stationäre Massnahme, angeordnet. Der Kosovare akzeptierte dieses Urteil nicht und ging in Berufung.

Freundin mit Kabel gewürgt

An der Berufungsverhandlung vor dem Kantonsgericht St.Gallen im Juni 2017 gab der Mann zu, eifersüchtig gewesen zu sein. Er habe oft gestritten. Weil seine damalige Freundin anderen Männern SMS geschrieben habe, hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben und sie während eines anderen Streits mit einem Kabel gewürgt.

Die anderen Vorwürfe streitet der 28-Jährige ab. Er habe es nicht nötig, Frauen zu vergewaltigen. Dass die andere Freundin verletzt in die Notfallaufnahme gehen musste, begründete er damit, ihr Vater habe sie geschlagen.

Kopfverletzung wegen Sturz

Eine Frau wurde an der Verhandlung befragt. Sie betonte, dass sie nie geschlagen worden sei. Sie sei einmal wegen einer Kopfverletzung im Spital gewesen, doch diese sei durch einen Sturz entstanden.

Auf diese Aussagen entschied das Kantonsgericht St.Gallen, auch die anderen Exfreundinnen vorzuladen. Heute Dienstag wurden sie befragt. Beide verneinten, vom 28-Jährigen vergewaltigt worden zu sein. Eine sagte, sie habe zwar eine Anzeige wegen Vergewaltigung gemacht, allerdings sei sie einfach verwirrt gewesen, da sie geschlagen worden sei. Zwei Monate später habe sie die Anzeige deshalb freiwillig zurückgezogen. Sie sei nicht von der Familie des Beschuldigten unter Druck gesetzt worden.

Aufgefordert, die Vorfälle zu bagatellisieren

Auch die zweite Frau verneinte, vergewaltigt worden zu sein. Der Kosovare habe sie zwar geschlagen, ins Zimmer gesperrt und an den Haaren gezogen, deshalb habe sie ins Spital gehen müssen. Auf die Frage, ob sie nach Eröffnung des Strafverfahrens von der Familie des Beschuldigten kontaktiert worden sei, bejahte sie. Sie sei aufgefordert worden, die Vorfälle zu bagatellisieren.

Der Verteidiger forderte einen Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung, da alle drei Exfreundinnen diese verneint hätten. Der Staatsanwalt plädierte auf Abweisung der Berufung, die Frauen seien klar unter Druck gesetzt worden. Das Urteil wird in den nächsten Tagen erwartet.

veröffentlicht: 22. August 2017 17:10
aktualisiert: 22. August 2017 17:10
Quelle: SDA/red.

Anzeige
Anzeige