Mit der Drohne Rehkitze retten

29.05.2018, 12:37 Uhr
· Online seit 29.05.2018, 12:08 Uhr
Wo sich Fuchs und Hase «Gute Nacht» sagen, da liegen um diese Jahreszeit kleine Rehkitze in der hohen Wiese. Werden diese nicht gefunden, fallen sie oft dem Mäher zum Opfer. In Ausserrhoden ist ein Pilotprojekt ins Leben gerufen worden, das die kleinen Kitzlein mit einer Drohne rettet.
Fabienne Engbers
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In Ruggell hat vergangene Woche ein Jagdaufseher ein verendetes Rehkitz in einer Wiese entdeckt. Der Landwirt hätte den Jäger vor dem Mähen informieren sollen, so hätte der Tod möglicherweise verhindert werden können. Der Landwirt wird angezeigt, schreibt das Tagblatt. Solche Szenarien sollen in Appenzell Ausserrhoden in Zukunft mit einer neuen Technik verhindert werden: Die Jäger greifen dafür in einem Pilotprojekt auf die Hilfe von Drohnen zurück.

Wärmepunkte zeigen die Kitzlein

Was in Teilen Deutschlands und in einem Thurgauer Jagdrevier bereits Alltag ist, soll auch in Appenzell Ausserrhoden eingeführt werden. Dafür haben Landwirtschaft und Jagd gemeinsam ein Pilotprojekt gestartet. Mit einer speziellen Drohne, an der eine Wärmebildkamera befestigt ist, wird ein Gebiet auf Wärmepunkte abgesucht. Ist ein solcher Punkt gefunden, wird er von Jägern begutachtet. «Mittels Funk sagt uns der Drohnenpilot genau, wo wir hin müssen. Hätten wir diesen nicht, wäre es möglich, dass man auf das Kitz drauftritt», sagt Jäger Mirko Calderara. Er organisiert die Markierung der Rehkitze.

Um das Kitz herummähen

Die ersten Versuche haben bereits Erfolg gezeigt. «Vergangene Woche haben wir sechs Kitze in Wiesen gefunden», sagt der Jäger. Diese wurden jeweils mit einem Holzharrass zugedeckt und mit einem Fähnlein markiert. So kann der Bauer getrost um das Kitz herummähen und es wird danach von der Mutter wiedergefunden.

Was klingt, wie die reinste Folter, bedeutet für das kleine Rehlein so wenig Stress wie möglich. «Wir müssen das Kitz nicht anfassen, sondern können es lassen, wo es ist», sagt Calderara. Das Rehkitz schreit zwar wie am Spiess, dies ist aber ein normaler Reflex, wenn dem Kitz Gefahr droht. «Es ruft damit nach der Mutter, die in der Nähe ist und warnt gleichzeitig andere Rehe vor der nahenden Gefahr», sagt Calderara.

Nur, wenn es extrem heiss ist, muss man das kleine Reh an den Waldrand legen. Der Jäger nimmt es dann mit Handschuhen hoch und legt es in der Nähe des Fundorts an ein beschattetes Waldstück.

Kein Fund ist auch ein Erfolg

Nicht immer findet man ein Rehkitz in einer Wiese. «Aber auch das verbuchen wir als Erfolg. Heute haben wir einen Feldhasen gesehen, ein seltener Anblick in dieser Region. Auch zwei Katzen wurden von der Wärmebildkamera angezeigt. Dass wir kein Kitz gefunden haben, ist für den Bauern positiv, er kann jetzt beruhigt seine gesamte Wiese mähen», sagt Calderara. Dies muss er allerdings in den kommenden Stunden erledigen, ansonsten wäre die Suche umsonst gewesen, da bereits ein neues Kitz in der Wiese liegen könnte.

So sieht es aus, wenn man eine Wiese mit einer Wärmebildkamera filmt:

«Man konnte bislang nie sicher sein»

Die Drohnensuche hat laut den Verantwortlichen den Vorteil, dass man zuverlässiger arbeiten kann als mit den gängigen Methoden. «Bislang stellte man Verblendungen auf, die Rehe davon abhalten sollten, ihre Kitze im hohen Gras abzulegen, oder man imitiert die Warnrufe der Rehe, sodass die Mutter zu ihrem Kitz springt und man weiss, dass es ein Rehlein im Gras hat», sagt Mirko Calderara.

«Man konnte mit den gängigen Methoden nie sicher sein, dass das gesamte Feld tatsächlich frei von Wildtieren ist», sagt Ernst Graf, Präsident des Ausserrhoder Bauernverbandes. Mit der Drohnensuche wird dieses Risiko minimiert.

Jetzt beginnen die Verhandlungen

Nach den ersten Pilotversuchen zeichnet sich ab, dass das Suchen von Rehkitzen mit der Drohne eine vielversprechende Methode ist, um Bauer und Tier zu schützen. «Es ist eine win-win-Situation. Niemand vermäht gerne Tiere. Einerseits helfen wir dem Tierschutz, in dem wir die Rehkitze retten, andererseits bewahren wir die Bauern davor, dass sie die Kitze vermähen und sie diese dann melden müssen», sagt Ernst Graf. Bei der Produktion von Siloballen ist gar die gesamte Ernte dahin, wegen der Gefahr von Botulinum, einem für das Vieh tödlichen Nervengift.

Nun beginne man mit den involvierten Parteien zu verhandeln, eine Projektgruppe wurde gegründet. Die Bauern sind an der Methode interessiert, allerdings stellt sich eine Kosten- und eine Organisationsfrage. «Das Wild gehört dem Kanton, die Bauern füttern es lediglich. Wer für die Finanzierung einer Drohnensuche zuständig wäre, muss nun ausgehandelt werden. Ist der Preis für eine Drohnensuche für einen Bauern tragbar, wäre die Institutionalisierung der Drohnensuche für die Bauern zukünftig eine sehr gute Lösung», sagt Graf. Zusätzlich wollen bei schönem Wetter alle Bauern gleichzeitig mähen. «Da braucht es nun Abklärungen, wie man ein solches System im ganzen Kanton einführen könnte.»

veröffentlicht: 29. Mai 2018 12:08
aktualisiert: 29. Mai 2018 12:37

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