Ostschweiz

So werden Wohnungssuchende betrogen

So werden Wohnungssuchende betrogen

18.01.2017, 07:02 Uhr
· Online seit 18.01.2017, 06:52 Uhr
Wer auf Wohnungssuche ist, sollte die Augen offen halten. Entdeckt man auf einer Immobilienplattform eine vermeintlich perfekte Wohnung, könnten Betrüger dahinterstecken. Ein Erfahrungsbericht.
Laurien Gschwend
Anzeige

Eine 100-Quadratmeter-Wohnung am St.Galler Rosenberg mit Sicht auf die Stadt. Dreieinhalb Zimmer für 1500 Franken monatlich, ein echtes Schnäppchen. Zwei Balkone, hübscher Parkettboden, moderne Küche. «Da wäre ich ja blöd, wenn ich mich nicht melden würde», denke ich mir und hinterlasse meine Kontaktdaten für einen Besichtigungstermin.

Eine Freundin mit einer ultra-billigen Wohnung

Eine Woche später meldet sich eine Forschungsingenieurin bei mir. Sie habe die Wohnung gekauft, weil sie während drei Jahren für ein pharmazeutisches Unternehmen in der Schweiz tätig gewesen sei. Sie lege Wert darauf, die Wohnung an nette, saubere Leute zu vermieten. Klingt plausibel. «Ich freue mich auf eine zukünftige Zusammenarbeit und Freundschaft», schreibt sie. Richtig nett!

Etwas macht jedoch stutzig: Der Mietzins beträgt plötzlich nur noch 1150 Franken - alles inklusive. Internet, Klimaanlage, Strom und Wasser, ja sogar ein Parkplatz ist inbegriffen. Als ich das neue Angebot mit dem ursprünglichen Inserat auf comparis.ch vergleichen möchte, fällt mir auf, dass dieses gelöscht wurde.

Nach einigen Stunden antworte ich der Forschungsingenieurin, die angibt, mittlerweile wieder in ihrer Heimatstadt Manchester zu leben. Ich bedanke mich für die Kontaktaufnahme, stelle mich kurz vor und bitte sie, die Immobilie anschauen zu dürfen.

Plötzlich geht es ganz schnell

«Ich habe einen Weg für uns gefunden, um das Geschäft sicher und schnell abzuschliessen», schreibt die britische Wohnungsbesitzerin zurück. Ein autorisierter Kurier erhalte ihre Begehungserlaubnis und übergebe die Schlüssel. Halt! Das geht doch viel zu schnell. Ich schreibe klipp und klar, ich wolle ohne Besichtigung keinen Vertrag abschliessen.

Darauf geht die Forschungsingenieurin nicht ein. «Wenn Sie mit dieser Vermietungstransaktion fortfahren wollen, werde ich den Wohnungsmakler kontaktieren und ihm alle notwendigen Informationen geben, sodass er den Prozess sofort beginnen kann.» Ich solle ihr meine Anschrift, eine Kopie meines Reisepasses sowie meine Telefonnummer übermitteln. Bald schon könne ich den Mietvertrag unterschreiben.

Ich breche den Kontakt ab. Aus Recherchezwecken google ich den Namen der Kontaktperson und schreibe ihr eine Nachricht im Berufsnetzwerk Linkedin. Eine Antwort bekomme ich nicht.

Utopische Preise und Bilder

«Die Maschen der Betrüger werden immer raffinierter», sagt Nina Spielhofer, Sprecherin der Vergleichsplattform Comparis. Auf den ersten Blick erkenne man den Betrug jeweils fast nicht mehr. Erst, wenn man mit dem Vermieter in Kontakt trete, erhalte man konkrete Hinweise auf einen möglichen Schwindel. Ein utopischer Preis und Bilder wie in einem Möbelhaus-Katalog seien Beispiele für Hinweise auf ein betrügerisches Inserat. «Die Adressen existieren meist real, während die Kontaktpersonen beziehungsweise deren Namen fiktiv sind.»

Das konkrete Inserat sei nach fünf Tagen im Netz wieder gelöscht worden. Weshalb es auf einmal weg war, dazu habe man keine Informationen. Das erlebte Muster erkennt Spielhofer jedoch. Es werde gerne einmal angegeben, der bisherige Mieter oder Besitzer befinde sich im Ausland, weshalb die Schlüsselübergabe per Post erfolgen müsse. Spätestens dann solle man hellhörig werden. «Auch beliebt ist die Forderung, schon eine Kaution zu überweisen, obwohl man die Wohnung noch nicht einmal gesehen hat. Man sollte auf keinen Fall Geld überweisen, ohne dass man die Wohnung gesehen und einen Vertrag unterschrieben hat.»

Comparis sammelt und vergleicht Inserate verschiedener Immobilienseiten und ist demnach nicht für deren Inhalt verantwortlich. «Dennoch kontrollieren wir regelmässig Inserate auf Auffälligkeiten.» Erhalte man von Konsumenten Hinweise auf verdächtig scheinende Angebote, prüfe man diese und lösche sie gegebenenfalls. Gemäss Nina Spielhofer hat niemand das oben beschriebene Angebot bei Comparis gemeldet.

Polizei kennt solche Betrugsgeschichten

«Das klingt wirklich sehr suspekt», findet auch Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der Kantonspolizei St.Gallen, als er vom Geschehenen hört. Die Polizei behandle immer wieder solche Fälle. «Die Betrüger fordern irgendwann eine Kaution. Danach löschen sie ihre Mailadresse und man kann sie nicht mehr erreichen.»

Rezzoli rät, während des schriftlichen oder mündlichen Kontakts mit vermeintlichen Vermietern niemals Kontoinformationen offenzulegen. «Es kann nicht sein, dass man Geld überweisen muss, bevor man sich eine Wohnung überhaupt angesehen hat.» Schöpfe man Verdacht auf ein Fake-Inserat, solle man einmal bei der angeblich leerstehenden Wohnung vorbeigehen. «Allenfalls kann man auch bei einer echten Verwaltung oder Nachbarn anfragen, ob sie etwas über das Objekt wissen», sagt der Polizeisprecher.

Betrüger arbeiten mit verschlüsselten Servern

Tappe man trotzdem in eine Falle, solle man unbedingt den Mailverlauf behalten. «Damit kann man dann zur Polizei gehen und dort Anzeige erstatten.» Es gestalte sich oft als ziemlich kompliziert, mit den Schwindlern Kontakt aufzunehmen. «Sie arbeiten vom Ausland aus, benutzen Verschlüsselungsserver und brechen nach dem Gelderhalt sämtliche Brücken ab.»

Findet man den Täter, muss dieser mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldbusse rechnen. «Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft», heisst es im Strafgesetzbuch. Gemäss Gian Andrea Rezzoli kann es aber auch ohne erfolgreichen Ausgang sinnvoll sein, den Fall zu melden. «Dann kann die Bevölkerung auf solche Betrugsfälle sensibilisiert werden.» Heute gebe es deshalb beispielsweise viel weniger Personen, die auf Trickbetrug reinfallen.

veröffentlicht: 18. Januar 2017 06:52
aktualisiert: 18. Januar 2017 07:02

Anzeige
Anzeige