Vietnamese nach Entführung aus Berlin zu lebenslänglich verurteilt

22.01.2018, 13:21 Uhr
· Online seit 22.01.2018, 05:58 Uhr
Ein aus Berlin entführter vietnamesischer Geschäftsmann ist in seiner Heimat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Richter habe den ehemaligen KP-Funktionär und Staatsmanager Trinh Xuan Thanh der Misswirtschaft und Unterschlagung für schuldig befunden.
Anzeige

Dies berichteten Staatsmedien am Montag. Die mutmassliche Verschleppung des kommunistischen Ex-Funktionärs belastet die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam massiv. In einem weiteren Prozess, der am Mittwoch beginnt, droht ihm die Todesstrafe.

Die deutsche Regierung ist davon überzeugt, dass Thanh im Juli 2017 vom Geheimdienst des kommunistischen Landes aus Berlin entführt wurde. Dort hatte er sich, nachdem er sich im Jahr zuvor aus seiner Heimat abgesetzt hatte, um eine Anerkennung als Asylbewerber bemüht. Die vietnamesische Regierung bestreitet die Vorwürfe. Sie betont, Thanh sei freiwillig zurückgekehrt, um sich dem Verfahren zu stellen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts (AA) hatte die gewaltsame Entführung Thanhs anlässlich des Prozessauftakts vor zwei Wochen abermals als «völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts» und als «Vertrauensbruch» kritisiert. Das AA will sich nun dafür einsetzen, dass auch der nächste Prozess ohne Todesstrafe ausgeht.

Nach Angaben politischer Experten war das Verfahren in erster Linie politisch motiviert: Zum einen wolle die Führung ihren Willen demonstrieren, gegen Korruption hart durchzugreifen, zum anderen nutze sie das Verfahren, um gegen politische Widersacher vorzugehen.

Thanhs deutsche Anwältin Petra Schlagenhauf forderte die deutsche Regierung auf, sich weiterhin um Thanhs Freilassung zu bemühen. Die Verurteilung sei in einem «rechtsstaatswidrigen Verfahren» zustande gekommen.

Die Anwältin war daran gehindert worden, am Prozess teilzunehmen. Das Verfahren fand auch unter Ausschluss ausländischer Medien statt. AA-Sprecherin Maria Adebahr sagte aber, das Verfahren sei nach örtlichen Standards grossteils als rechtsstaatlich zu bewerten.

Konkret ging es in dem Gerichtsprozess um den Bau eines Kraftwerks im Norden Vietnams im Jahr 2011. Thanh wurde zur Last gelegt, als Chef des Baukonzerns PetroVietnam Construction (PVC) - einer Tochter des Energiekonzerns PetroVietnam - umgerechnet mehrere Millionen Franken zweckentfremdet zu haben. Mindestens vier Milliarden vietnamesische Dong, also etwa 170'000 Franken, soll er dabei in die eigene Tasche gesteckt haben.

Thanh selbst hatte um ein mildes Urteil gebeten, damit er bald wieder nach Deutschland zurückkehren kann. Ausländische Medien wurden zu dem Prozess nicht zugelassen.

Bereits an diesem Mittwoch soll in Hanoi ein weiterer Korruptionsprozess gegen Thanh beginnen. Dabei droht dem ehemaligen Chef des Baukonzerns und kommunistischen Funktionär abermals die Todesstrafe. Thanh soll bei einem Bauprojekt in Hanoi umgerechnet rund eine halbe Million Franken an Schmiergeld kassiert haben.

Vietnam gehört zu den wenigen Ländern auf der Welt, in denen auf Korruption in besonders schlimmen Fällen die Todesstrafe steht. Erst im vergangenen Herbst wurde ein früherer Konzernchef zum Tod durch die Giftspritze verurteilt.

Wegen der mutmasslichen Entführung hatte die deutsche Regierung im vergangenen Jahr zwei vietnamesische Diplomaten ausgewiesen. Zudem legte sie den sogenannten strategischen Dialog mit dem südostasiatischen Land auf Eis. Vietnam ist einer der wenigen kommunistischen Ein-Parteien-Staaten, die es heute noch gibt.

veröffentlicht: 22. Januar 2018 05:58
aktualisiert: 22. Januar 2018 13:21
Quelle: SDA

Anzeige
Anzeige