«Beim FC Wil kriselt es schon länger»

08.02.2017, 17:47 Uhr
· Online seit 08.02.2017, 17:28 Uhr
Dass die Türken beim FC Wil nun offenbar ausgestiegen sind, überrascht Experten, die das Clubgeschehen aktiv verfolgen, nicht. FC-Wil-Insider Simon Dudle nahm gegenüber FM1 Stellung zu den Vorfällen und schätzt die Lage ein.
Fabienne Engbers
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Simon Dudle, vor anderthalb Jahren war die Euphorie beim FC Wil kaum zu bremsen. Es fielen Begriffe wie «Super League» und gar «Europa League». Es wurde viel Geld investiert. Jetzt sollen die türkischen Investoren gemäss Medienberichten bereits wieder weg sein. Überrascht Sie das?

Jein. Einerseits haben sie bis Dezember 2016 die Löhne immer pünktlich bezahlt. Andererseits hat sich die Krise seit Januar abgezeichnet. Mit der Zeit zeigten sich immer weniger türkische Investoren in Wil. Auch in der ersten Mannschaft gab es bis zuletzt keinen einzigen türkischen Spieler mehr.

Warum, glauben Sie, springen die türkischen Investoren nun ab?

Darüber kann man vor der Pressekonferenz heute Abend nur spekulieren. Man kann aber davon ausgehen, dass Mehmet Nazif Günal, der Investor beim FC Wil, unter anderem in den Club investiert hat, weil er nebenan noch in den Schweizer Baumarkt einsteigen wollte. Er wollte das Bergholz rundum erneuern. Dieses Projekt geriet aber bald ins Stocken. Die Pläne, das Bergholz Super-League-tauglich zu machen, liegen schon seit über einem Jahr vor. Ich kann mir vorstellen, dass das einer der Gründe für den Absprung der türkischen Investoren rund um Günal ist.

Wie geht es nun weiter mit dem FC Wil? Droht ein Konkurs?

Es wäre bestimmt verfrüht, jetzt bereits von einem Konkurs zu sprechen. Auf die Spieler und die Angestellten des Clubs kommt jetzt aber eine unruhige Phase zu. Die meisten der Wil-Spieler haben langjährige Verträge. Man wird jetzt sehen müssen, ob und welche Spieler zu einem anderen Verein wechseln und dort weiterspielen können.

Hat sich der Ex-Wil-Präsident Roger Bigger selber ein wenig verspekuliert?

Roger Bigger steht jetzt bestimmt im öffentlichen Fokus. Er hat den Verkauf des Clubs an die türkischen Investoren im Juli 2015 vorangetrieben. Ich denke, es ist nun unter anderem an ihm, die Wogen wieder zu glätten. Alle Augen sind nun auf ihn gerichtet. Ich persönlich habe jedoch grosses Vertrauen in das Verhandlungsgeschick von Roger Bigger. Er hat es bereits vor 10 Jahren, als ukrainische Investoren den FC Wil übernommen haben, verstanden, den Club vor dem ganz grossen Kollaps zu bewahren.

Bigger ist aber auch Finanzchef der Super League. Wirft das nicht ein schlechtes Licht auf ihn?

Die türkischen Investoren rund um Mehmet Nazif Günal wurden im Vorfeld vertieft geprüft. Eine renommierte Anwaltskanzlei nahm sich den Investoren an und auch die Liga gab dem FC Wil sowie den Türken ihren Segen. Man hat damals gemacht, was man konnte. Klar ist aber auch, dass sich Roger Bigger nun sehr kritischen Fragen entgegenstellen muss.

Wie muss man sich einen solchen «Absprung» von Investoren vorstellen? Gibt es dann von einem auf den anderen Tag kein Geld mehr?

Die hohen Beträge, die im letzten Jahr bezahlt wurden, wurden von den türkischen Investoren eingeschossen. Diese sind ebenfalls für alle alten Verbindlichkeiten, die Geld kosten, aufgekommen. Sie sind eigentlich für alles aufgekommen. Wie die Finanzierung jetzt vonstatten geht, weiss ich nicht. Ich bin aber sehr gespannt, was der FC Wil an der Medienkonferenz von heute Abend bekanntgeben wird.

Die Medienkonferenz des FC Wil gibt es ab 18 Uhr live auf FM1Today.

(Das Interview führte: Michael Ulmann für Radio FM1)

(saz)

 

veröffentlicht: 8. Februar 2017 17:28
aktualisiert: 8. Februar 2017 17:47

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