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Der Vinyl-Boom und die Schattenseiten für unabhängige Künstlerinnen

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Der Vinyl-Boom und die Schattenseiten für unabhängige Künstlerinnen

· Online seit 13.06.2022, 05:30 Uhr
Seit bald 20 Jahren steigen die Schallplattenverkäufe weltweit stetig an. In den USA wurde vergangenes Jahr doppelt so viel Vinyl verkauft wie im Vorjahr, in der Schweiz wurde der höchste Umsatz seit 1991 verzeichnet. Seit dieser Woche hat die Schweiz auch wieder ein Presswerk. Doch der Boom hat auch Schattenseiten.
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Ifpi Schweiz, der Dachverband des Schweizer Musikmarktes, schreibt im aktuellen Jahresbericht: «Der Umsatz aus dem Verkauf von physischen Tonträgern sinkt auch 2021 nochmals deutlich. Einzige Ausnahme bleibt das Geschäft mit Vinyl-Langspielplatten.»

2021 wurden 4,8 Millionen Franken damit umgesetzt, ein Wachstum zum Vorjahr von 18 Prozent und der höchste Vinyl-Umsatz seit 1991 – damals konnten damit sagenhafte 10,7 Millionen Franken gemacht werden.

Klar, Vinyl bleibt ein Nischenmarkt. Er macht in der Schweiz nur 19 Prozent des physischen Marktes aus und entspricht 2,5 Prozent des Gesamtmarktes. Doch der Trend ist seit Jahren gleich: Vinyl wächst. Weltweit. Davon zeugt auch, dass es in der Schweiz seit dieser Woche im Kanton Aargau nach 20 Jahren endlich wieder ein eigenes Presswerk für Schallplatten gibt (wir haben berichtet).

Quelle: TeleM1/Beitrag vom 7. Juni 2022

Diese Zahlen und Nachrichten lassen Hoffnung aufkommen. Doch gerade für kleinere Bands ohne grosse Labels im Hintergrund sind sie eine Pein.

Die Grossen haben immer Vorrang

Maf Lewis, der zusammen mit Tara Busch unter dem Namen «I Speak Machine» Musik macht, ist derzeit mit dem britischen Elektro- und Synthiepionier Gary Numan («Cars») als Vorband auf US- und Europatour. Er sagt gegenüber FM1Today: «Wir haben frühzeitig 2000 Schallplatten auf Januar bestellt und wollten mindestens die Hälfte davon auf der Tour verkaufen.» Bis heute, rund ein halbes Jahr später, ist noch keine einzige dieser Platten gepresst worden und die Tour ist bald vorbei.

Was ist passiert? Lewis: «Ein Label bestellt zum Beispiel für Fleetwood Mac 100'000 Alben. Unser kleiner Auftrag rückt nach hinten und nun sollten die Platten im Juni ausgeliefert werden. In der Zwischenzeit bringt jemand wie Adele ihr neues Album raus. Wiederum 100'000 Stück. Und wir werden auf September vertröstet. Aus einer Wartefrist von 14 Wochen werden schnell mal über 40 Wochen.»

Für Bands wie «I Speak Machine» ein riesiges Verlustgeschäft. Sie bleiben auf den Investitionskosten von 20'000 Dollar sitzen und können auf der Tour keine Alben verkaufen. Gerechnet hatten sie mit rund 1000 Verkäufen für einen Stückpreis von 35 Dollar. Ob sie all diese Alben auch noch über ein halbes Jahr nach der Tour über ihre Website verkaufen, ist unsicher.

Immer wieder die gleichen Scheiben

Lewis will Künstlern wie Fleetwood Mac oder Adele keine Vorwürfe machen. Er sieht die Verantwortung bei den Kundinnen und Kunden. Ob die Rolling Stones, Pink Floyd, Led Zeppelin, David Bowie oder Michael Jackson: Laufend werden von ihnen alte Scheiben neu aufgelegt.

Um beim Beispiel von Fleetwood Mac zu bleiben: «Rumours» liegt wieder weit vorne in den Verkaufscharts der Plattenhändler. Ursprünglich 1977 veröffentlicht, gilt es mit rund 40 Millionen Verkäufen zu den erfolgreichsten Alben der Geschichte. Was solch häufig verkaufte Alben ebenfalls auszeichnet: Sie können sehr günstig auf Second-Hand-Portalen oder in Brockenhäusern gekauft werden. Es gibt keine Knappheit, Neupressungen wären eigentlich gar nicht nötig.

Natürlich werden diese «neuen» Alben mit grossen Versprechungen angekündigt: Neu abgemischt, bessere Klangqualität und so weiter. Was für Kundinnen und Kunden verlockend klingt, ist für kleinere Acts wie «I Speak Machine» ein finanzieller Albtraum.

Goldgrube 90er-Jahre

Würden die Vinyl-Lieberhaberinnen und -Liebhaber vermehrt bereits existierende Veröffentlichungen bekannter Künstlerinnen und Künstler kaufen, gäbe es mehr Platz für neue Musik auf Schallplatten.

Ein bisschen anders sieht es bei Musik aus den 1990er-Jahren aus. Die CD war damals auf dem Siegeszug und verdrängte Vinyl fast vollständig. Schallplatten wurden damals nur in sehr kleiner Stückzahl gepresst und werden deshalb heute für sehr hohe Preise gehandelt. Das erklärt auch, wieso eine Madonna-Scheibe um ein vielfaches höher gehandelt wird als fast jede Beatles-Platte (mit Ausnahme einiger sehr gefragten Ausgaben).

veröffentlicht: 13. Juni 2022 05:30
aktualisiert: 13. Juni 2022 05:30
Quelle: FM1Today

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