Whatsapp & Co.

«Fast jeder hat verbotene Inhalte auf seinem Smartphone»

· Online seit 06.12.2019, 05:24 Uhr
Whatsapp-Gruppenchats, in denen Gewaltvideos oder pornografische Inhalte verbreitet werden, gibt es zahlreiche in der Schweiz. Immer häufiger verstossen Jugendliche darin gegen das Gesetz. Gemäss eines Rechtsanwalts rechnen viele Jugendliche nicht damit, erwischt zu werden.
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Ein Video, das einen Mann beim Sex mit einem Esel zeigt. Eine Szene, in der einer Person der Kopf abgeschnitten wird, oder ein Sexfilmchen, das in einen Gruppenchat mit minderjährigen Mitgliedern gelangt – all das ist strafbar und dessen sind sich Jugendliche nur zum Teil bewusst.

1000 pornografische Dateien in einem Chat

«Solche Videos hat doch jeder», sagte kürzlich ein Angeklagter vor dem Bezirksgericht Weinfelden. Behandelt wurde ein Fall von versuchter vorsätzlicher Tötung. Bei der Durchsuchung der persönlichen Gegenstände des 27-jährigen Rheintalers tauchte auf seinem Handy ein Video auf, das einen Mann beim Sex mit einem Esel zeigt. Der illegale Besitz dieses Videos hatte Einfluss auf seine Strafe. Er wurde in diesem Punkt schuldig gesprochen.

Im Kanton Graubünden stiess die Polizei Anfang November auf einen Whatsapp-Gruppenchat. In diesem teilten Minderjährige illegale pornografische Inhalte. Während vier Monaten verbreiteten die Teenager fast 1000 pornografische Medieninhalte. 19 Inhalte waren auch für Erwachsene illegal. Zehn Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren konnten für die Inhalte verantwortlich gemacht werden. Die Jugendanwaltschaft ermittelt. 

Fälle von verbotener Pornografie haben in der Ostschweiz zugenommen

Im Kanton Graubünden wird die Verbreitung verbotener Inhalte von Jugendlichen nicht statistisch erfasst. In der Kriminalstatistik ersichtlich ist lediglich die Anzahl verbotener Pornografie. Diese Zahl verdoppelte sich im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr.

Im Kanton St.Gallen gab es im letzten Jahr 141 Fälle verbotener Pornografie. Aktuelle Zahlen gibt es in St.Gallen zu den illegalen Gewaltdarstellungen. Davon gab es in diesem Jahr bis jetzt schon 21 Fälle. Das sind rund einen Drittel mehr als noch letztes Jahr. 

Noch mehr in die Tiefe gehen die Zahlen der Thurgauer Polizei. Diese hat die illegale Pornografie aufgeschlüsselt und herausgefunden, wie viele Jugendliche illegale Inhalte verbreiteten. In den letzten drei Jahren waren in rund der Hälfte der Fälle Jugendliche involviert oder werden beschuldigt. (Zahlen siehe Box)

«Jugendliche rechnen nicht damit, erwischt zu werden»

Nicht nur via Whatsapp werden die verbotenen Videos und Bilde verbreitet, vermehrt auch über Instant-Messaging-Dienste wie Instagram oder Facebook Messenger.

«Ich gehe davon aus, dass man auf fast jedem Smartphone verbotene Inhalte findet», sagt Martin Steiger. Der Zürcher Anwalt befasst sich mit dem Recht im digitalen Raum.

Herumgereicht würden vor allem zwei Arten von Inhalten: Gewaltvideos, wie Folter- oder Enthauptungsvideos, und Kinderpornografie oder Videos, die Sex mit Tieren zeigen. «Häufig werden solche Videos als ‹lustige› Videos weitergeleitet», sagt der Experte. Es gebe immer wieder dieselben Videos, die als «Scherzvideos» die Runde machen. Ein Video, das derzeit durch Gruppenchats geistert, sei eines, das einen Jungen beim Sex mit einem Esel zeigt. «Dieses Video ist gleich doppelt strafbar, da ein Minderjähriger zu sehen ist.»

Gemäss Einschätzung von Martin Steiger ist den Jugendlichen bewusst, dass die Videos nichts Gutes zu bedeuten haben: «Die Jugendlichen haben beim Schauen zwar ein schlechtes Gefühl, sie rechnen aber nicht damit, erwischt zu werden. Ausserdem wissen viele nicht, dass die Kommunikation beispielsweise auf Facebook, Instagram oder Snapchat gefiltert wird.»

Nur ein sichtbarer Protest hilft vor Gericht

Wie der Experte erklärt, werden Inhalte auf Social Media laufend nach verbotenen Inhalten durchsucht. «Tauchen solche Inhalte auf, gibt es auf Umwegen über die USA eine Meldung bei den Polizeistationen in der Schweiz oder der Staatsanwaltschaft. Diese ordnet dann eine Hausdurchsuchung an.» Solche Hausdurchsuchungen können somit völlig unerwartet durchgeführt werden.

Auch Daten, die auf dem Handy gelöscht werden, können noch zum Verhängnis werden. «Es ist sehr anspruchsvoll, Daten vollständig zu löschen», sagt Martin Steiger. Er rät deshalb: «Wenn man ein Video erhält, bei dem man den Verdacht hat, dass es strafbar sein könnte, sollte man sichtbar protestieren.» Man soll dem Absender beispielsweise antworten: «Hey, schick mir nicht solche Bilder oder Videos» und davon am besten einen Printscreen machen. Anschliessend sollten die Videos und Bilder vom Handy oder Computer gelöscht werden. «So schafft man sich eine Grundlage, sich allenfalls erfolgreich verteidigen zu können, sollte es ein Strafverfahren geben.»

Ob bereits gewisse Fail-Videos illegal sind, sei schwierig zu sagen, da der Grat sehr schmal ist. «Die Grenze, in der etwas Lustiges strafbar wird, ist sehr schnell überschritten. Jeder sollte sich selbst Grenzen setzen, welche Inhalte für ihn oder sie verkraftbar sind. Am besten distanziert man sich von solchen Gruppenchats gänzlich.»

Polizei warnt mit Gewaltvideo

Die Polizei in den Kantonen Thurgau, St.Gallen und Graubünden gibt regelmässig Vorträge zu diesem Thema in Schulen. Ausserdem werden die Schüler durch Broschüren oder via Social Media über die Gefahren der Verbreitung verbotener Videos informiert. Die Winterthurer Polizei ging sogar so weit, dass sie selbst ein Enthauptungsvideo und ein tierpornografisches Video produzierten. Von diesen wird auch die St.Galler Polizei Gebrauch machen, heisst es auf Anfrage.

Es hat vermutlich, wie Martin Steiger sagt, auf fast jedem Handy verbotene Inhalte. Wichtig für Polizei und Martin Steiger als Anwalt ist, wie die Jugendlichen mit diesen Inhalten umgehen und statt sich darüber lustig zu machen, den Ernst der Lage erkennen und entsprechend handeln.

veröffentlicht: 6. Dezember 2019 05:24
aktualisiert: 6. Dezember 2019 05:24
Quelle: FM1Today

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