Datenschutz

St.Galler Firma verkauft deine Daten – so kannst du dich dagegen wehren

· Online seit 29.02.2024, 05:53 Uhr
Es gibt Unternehmen, die verdienen ihr Geld mit dem Verkauf von persönlichen Daten – so auch eine St.Galler Firma. Doch Datenhandel ist ein rechtlich teilweise diffuses Geschäftsfeld. Wir klären dich darüber auf, wie diese Unternehmen an deine Daten kommen, was sie damit alles anstellen – und wie du dich wehren kannst, wenn dir damit unwohl ist.
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Noch nicht lange ist es her, da haben sich die Alt-Bundesräte Adolf Ogi, Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann mit einem offenen Brief zur am kommenden Wochenende stattfindenden Abstimmung über die 13. AHV-Rente in die Nesseln gesetzt. Die ehemaligen Mitglieder der Landesregierung haben sich gegen die Annahme der Initiative ausgesprochen. Den allgemeinen Aufruf gegen das Anliegen, mehr Geld während der Rente zu bekommen, empfanden viele der Adressatinnen und Adressaten, die den Brief erhielten, als Hohn. Die Alt-Bundesräte beziehen nämlich jährlich eine Bundesratsrente von 200'000 Franken.

An Tote adressierte Briefe

Doch nicht nur diese Tatsache sorgte für Negativ-Schlagzeilen. So meldeten sich mehrere Adressaten des Briefs bei verschiedenen Medien und äusserten ihren Ärger oder zumindest ihre Verwunderung über den Erhalt des Schreibens. Woher hatten die Absender ihre Adressen? Für besonders viel Unmut sorgte, dass die Briefe teilweise auch an Verstorbene adressiert waren – mehrere Angehörige empfanden dies als Affront.

Den Versand der Briefe koordinierte die St.Galler Firma KünzlerBachmann Directmarketing, wie «20 Minuten» berichtete. Das Unternehmen verdient sein Geld mit dem Verkauf von Adressen – und dieser Handel scheint ziemlich lukrativ. Die Nein-Allianz zur 13. AHV soll sich den Versand der Bundesratsbriefe ungefähr 75'000 Franken kosten lassen haben – als Gegenleistung haben sie die Adressen von hunderttausenden Menschen in der Deutschschweiz erhalten.

Zahlreiche Unternehmen nutzen Adress-Dienste

Doch die AHV-Adressaten sind längst nicht die einzigen, die via von KünzlerBachmann vermittelten Anschriften Post erhalten. Zahlreiche Firmen nutzen die Dienste des Unternehmens, um die Zielgruppe zu erreichen, die sie möchten. In einem konkreten Beispiel, das der FM1Today-Redaktion vorliegt, hat ein Marktforschungsinstitut den Adressaten eingeladen, künftig bei Befragungen zu verschiedenen Produkten oder zu persönlichen Ansichten mitzumachen.

Mit den gesammelten Daten würde man unter anderem helfen, Produkte besser nach Kundenbedürfnissen auszurichten oder Universitäten bei der Erstellung von Studien zu helfen. Zwei in Mini-Schriftgrösse gehaltene Sätze am unteren Rand des A4-Blatts klären darüber auf, dass die Empfänger-Adresse aus dem Datenpool von KünzlerBachmann stammt.

Falls auch du auf einer Adressliste eines Unternehmens wie KünzlerBachmann stehst – die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch – wollen wir dich gemeinsam mit Rechtsanwalt und Datenschuzexperte Martin Steiger über einige wichtige Punkte aufklären. Wie kommen Unternehmen wie KünzlerBachmann an deine Daten, was für Informationen sammeln sie, an wen können sie diese theoretisch weiterverkaufen – und ist das alles überhaupt legal?

1. Woher haben die meine Daten?

Das sagt der Datenexperte: Die Möglichkeiten sind internetbedingt riesig, wie Martin Steiger erklärt: «Es gibt zahlreiche Varianten, um an Daten zu kommen. Unternehmen können beispielsweise Daten via öffentliche Register oder bereits existierende Datenbestände anderer Unternehmen in Erfahrung bringen.»

Wichtig: Wenn man sich wundert, woher ein Unternehmen die Daten hat und diese nicht direkt bei der betroffenen Person beschafft wurden, kann man mittels Auskunftsbegehren in Erfahrung bringen, woher die Datensammler die Angaben haben. Das angefragte Unternehmen ist dann verpflichtet, die Herkunft der Daten bekanntzugeben (siehe auch Frage 8).

2. Welche Daten besitzen die Firmen?

Die Art der Daten ist ziemlich umfassend. KünzlerBachmann sammelt beispielsweise Angaben zu mindestens zehn verschiedenen Kategorien, wie aus der Webseite der Firma hervorgeht. Darunter sind nebst allgemeinen Informationen wie dem Alter oder dem Geschlecht beispielsweise auch detailliertere Angaben zur Kaufkraft, dem Einkommen, Beruf und Bildung oder gar zu Mobilitätsverhalten und Wohnsituation.

3. Ist das Sammeln solcher Daten legal?

Das sagt der Datenexperte: Im Grundsatz lautet die Antwort: Ja, das Sammeln und weitere Bearbeiten von Daten ist möglich. Martin Steiger erläutert: «Vorbehaltlos ist natürlich nichts. Aber grundsätzlich ist es in der Schweiz erlaubt, Daten über Personen zu beschaffen und zu verwerten. Dabei müssen die datenschutzrechtlichen Grundsätze eingehalten werden.»

Zu diesen gehören beispielsweise die Erkennbarkeit der Beschaffung der Daten und die Information der Person, deren Daten verwendet werden – im obenerwähnten Beispiel des Marktforschungsinstituts erfolgt die Information mit dem kleingedruckten Statement.

Laut Steiger gilt in der Schweiz also das Grundprinzip, dass die Datensammlung und der Datenhandel erlaubt sind, sofern die betroffene Person informiert wird, Auskunft verlangen und Widerspruch erheben kann.

4. Braucht es keine Einwilligung, um meine Daten zu sammeln und weiterzuverkaufen?

Da es grundsätzlich erlaubt ist, Daten zu sammeln und zu bearbeiten, ist auch keine Einwilligung der betroffenen Person erforderlich – sofern die datenschutzrechtlichen Grundsätze eingehalten werden.

Das sagt der Datenexperte: Es gibt Einschränkungen bei bestimmten Daten – die Rede ist von sogenannt «besonders schützenswerten Daten», wie Steiger erklärt. Darunter fallen beispielsweise Angaben zur Gesundheit, zur politischen Einstellung oder zur religiösen Gesinnung. Diese Daten dürfen nicht ohne Weiteres weitergeben werden. Ansonsten sei der Datenaustausch in der Schweiz aber sehr liberal geregelt.

5. Habe ich womöglich unbewusst meine Einwilligung für den Handel mit meinen Daten gegeben?

Das ist gut möglich. Obwohl es im Grundsatz nicht nötig ist, eine Einwilligung einzuholen, gibt es Unternehmen, die damit «arbeiten», um sich abzusichern.

Das sagt der Datenexperte: «Es kann natürlich sein, dass man seine Einwilligung einmal unbewusst abgegeben hat», so Martin Steiger. Es gebe Betriebe, die beispielsweise solche Passagen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verstecken – rechtlich kann es hier bereits heikel sein. «Man kann natürlich nur in etwas einwilligen, das einem bekannt ist. Wenn eine Einwilligung durch einen Absatz irgendwo in den AGB erteilt wird, muss man je nach Fall frage, ob diese rechtsgültig ist», so Steiger.

Hier gilt ebenfalls der bei Frage 1 erwähnte Punkt bezüglich Auskunft zur Datenherkunft: Wenn man sich nicht bewusst ist, woher der Adressbroker die (eigene) Einwilligung zum Handel mit den individuellen Daten hat, kann man die Herausgabe dieser Information mittels Auskunftsbegehren verlangen.

6. An welche Unternehmen werden meine Daten weitergegeben?

Firmen haben ein grosses Interesse an Daten: Die zielgerichtete Ansprache von potenziellen Kunden ist schliesslich – im wahren Sinn des Wortes – Gold wert. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Unternehmen und Organisationen, die gefilterte Adresslisten kaufen. Ein Journalist von «Watson» hat in einer persönlichen Anfrage Auskunft von KünzlerBachmann darüber erhalten, an wen seine Daten bereits verkauft wurden – die Liste steht sinnbildlich für die Vielfalt der Unternehmen: Es fanden sich Namen von Banken (Cornèr Banca), Stiftungen (Paraplegikersitftung), Detailhändlern (Spar, Ikea), Fitnessunternehmen  (Kieser Training) und gar Medien (Weltwoche, KI Konsumenteninfo) darauf.

7. Dürfen die Daten auch ins Ausland weitergegeben werden?

Grundsätzlich verboten ist auch der Datenverkauf ins Ausland nicht. Mittels entsprechenden Verträgen ist es laut Martin Steiger im Grunde möglich, den Handel «legal zu organisieren». Es gibt allerdings Begrenzungen – hinsichtlich der besonders schützenswerten Daten oder den Rechtsgrundlagen im Land des Käufers.

Das sagt der Datenexperte: «Der internationale Datenhandel ist längst Realität. Doch auch hier gibt es Einschränkungen. Grundsätzlich muss in jedem Land, in das Daten weiterverkauft werden, ebenfalls ein gewisser Datenschutz existieren – dieser ist nicht überall gewährleistet.»

So wäre beispielsweise der Verkauf von Daten an ein russisches Unternehmen laut Steiger rechtlich «schwierig», da es in Russland kein funktionierendes Datenschutzrecht gibt.

8. Wie kann ich mich wehren?

Auch wenn das Sammeln und Verkaufen von Daten in der Schweiz liberal geregelt und vergleichsweise vieles nicht verboten ist, hat man als betroffene Person die Möglichkeit, gegen die Nutzung der eigenen Daten vorzugehen.

Das revidierte Datenschutzgesetz, das im vergangenen Herbst in Kraft getreten ist, sieht vor, dass man die betroffenen Personen informieren muss, wenn man Daten über sie beschafft hat. Weiter hat jede Person das Recht, zu erfahren, welche Daten über sie gesammelt werden. Und zu guter Letzt: Man kann verlangen, dass Daten berichtigt oder gelöscht werden.

Wichtig zu wissen, ist dabei vor allem eins: Betroffene Personen müssen immer selbst aktiv werden, um den Handel mit eigenen Daten zu unterbinden. Nach Schweizer Gesetz liegt dies in der Eigenverantwortung der betroffenen Personen.

Das sagt der Datenexperte: Martin Steiger erklärt, wie man konkret vorgehen soll: «Der erste Schritt wäre es, Auskunft zu verlangen, damit man weiss, was für Daten das Unternehmen überhaupt besitzt. Aufgrund dieser Auskunft kann man dann widersprechen – und den Weiterverkauf der eigenen Daten unterbinden.» Allerdings gebe es auch einzelne Ausnahmen, ein absoluter Anspruch auf Widerspruch oder Löschung existiert laut Steiger nicht.

Datenauskunft anfragen einfach gemacht

Zum Schluss noch eine kleine Hilfestellung: Um Anfragen zur Datenauskunft zu vereinfachen, hat der Verein "Digitale Gesellschaft» ein Tool entwickelt, mit welchem es ohne grossen Aufwand möglich ist, eine solche Anfrage generieren zu lassen. Zum Online-Generator geht es hier.

veröffentlicht: 29. Februar 2024 05:53
aktualisiert: 29. Februar 2024 05:53
Quelle: FM1Today

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