Quelle: FM1Today/ElijaEberle/Philomena Koch
Die farbigen Buchstaben sind schon von Weitem zu erkennen und doch gehen viele Leute in der St.Galler Innenstadt an dem bunten Schriftzug vorbei. Wer sich die Zeit nimmt und genauer hinschaut, erkennt schnell, dass es keine harmlosen Zeichnungen mit Kreide sind.
«Bist du überall so gut rasiert wie am Kopf?»
«Du kannst sicher gut blasen.»
«Die würde ich gerne anfassen, die hat Kurven.»
Es sind Sätze, die Personen in der Öffentlichkeit zugerufen wurden, sogenannte Catcalls. Auf die Strassen geschrieben hat diese Schriftzüge die Bewegung «Catcallsofstgallen». Ein Kollektiv aus sieben jungen Erwachsenen, das sich für die Sensibilisierung dieser Art von Belästigung einsetzt und auf diese Problematik in der Stadt St.Gallen aufmerksam machen möchte – nach dem Grundsatz #stoppbelästigung. Mit Kreide schreiben sie Zitate auf die Strasse, von Betroffenen, die ihnen diese Erlebnisse geschildert haben.
Catcalling passiert jeden Tag
«Obwohl das Thema so akut ist und tagtäglich passiert, wird es oft nicht thematisiert oder verharmlost. So wollen wir die Leute im Alltag direkt mit sexueller Belästigung konfrontieren und zeigen, dass solche Nachrufe etwas mit den Betroffenen machen», sagt die 16-jährige Initiantin des St.Galler Kollektivs gegenüber FM1Today. Sie möchte anonym bleiben.
Mögliche Folgen dieser Art von Belästigung sind zum Beispiel Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, geringeres Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum oder Verhaltensänderungen.
Im Video siehst du, welche Erfahrungen die St.Galler Bevölkerung mit Catcalling gemacht hat.
Mit ihrem Instagram-Account haben sie sich Vorreiter wie München, Zürich oder Basel als Vorbild genommen. Entstanden ist die Idee in New York im Jahr 2016. Seit über einem halben Jahr gibt es die Bewegung auch in der Gallusstadt.
«Sobald man sich belästigt fühlt, gilt es als Belästigung»
«Es ist dringend notwendig, dass etwas gemacht wird. Vielen Leuten ist die Häufigkeit solcher Vorfälle nicht bewusst», findet die 16-Jährige. Pro Woche würden sie durchschnittlich zwei bis drei Nachrichten erhalten. «Wenn sich eine Person bei uns meldet, weil sie sich belästigt fühlt, dann gilt es auch als Belästigung. Wir nehmen jede Erfahrung auf und schreiben sie mit Kreide auf den Boden», führt die Initiantin aus.
Ausreichend seien diese Aktionen alleine für ein Brechen des Tabus noch lange nicht. Die Initiantin betont, dass es an Aufklärungsarbeit und Anlaufstellen für Betroffene fehlt. Auffallend ist für die 16-Jährige, dass sich bisher nur Frauen und Personen aus der queeren Community bei der Instagram-Seite gemeldet haben. Glaubt man den Zahlen von Statistiken, bestätigt sich diese Feststellung. Obschon auch Männer Opfer von Catcalling sein können.
Aktionen wären bewilligungspflichtig
Ganz legal sind solche Aktionen ohne Bewilligung jedoch nicht. Die Stadtpolizei St.Gallen weist darauf hin, dass ein Anbringen solcher Botschaften auf öffentlichem Grund bewilligungspflichtig ist. Denn die Schriften würden einen «gesteigerten Gemeindegebrauch» darstellen. Dionys Widmer, Mediensprecher der St.Galler Stadtpolizei, teilt mit, dass die Polizei nun mit dem Kollektiv das Gespräch suchen werde. «Sollten weiterhin solche Aktionen ohne entsprechende Bewilligung durchgeführt werden, könnte dies zu einer Anzeige führen.»