St.Gallen

Einkaufen als kleines politisches Statement

03.12.2019, 16:10 Uhr
· Online seit 03.12.2019, 14:11 Uhr
«Endlich», sagten viele, als sie davon hörten: St.Gallen hat seit dem heutigen Dienstag seinen ersten Unverpackt-Laden. Inhaberin Marion Schiess spricht mit FM1Today über den Weg von der Idee bis zur Eröffnung von «Ganz Ohni».
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Das kleine, goldene Glöckchen klingelt hell, wenn Kundschaft den Laden «Ganz Ohni» betritt. Begrüsst wird man von Marion Schiess, die am heutigen Dienstag den ersten Unverpackt-Laden in St.Gallen eröffnet hat. Die 28-Jährige hat es geschafft, einen fünf Jahre lang gehegten Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Im «Ganz Ohni» hat sie für Kundinnen und Kunden die Möglichkeit geschaffen, beim Einkaufen auf Plastikverpackungen verzichten zu können.

«Schon als der allererste ‹Original Unverpackt›-Laden in Berlin eröffnet wurde, war ich begeistert. Das Konzept fand auch in der Schweiz Anklang – etwa in Zürich, Winterthur und Chur. St.Gallen braucht für solche Sachen bekanntlich immer etwas länger, aber ich dachte, das würde sowieso bald jemand machen», sagt Schiess. 

Einkaufen ohne Plastik

Damit sollte sie nicht recht behalten, denn auch fünf Jahre nachdem sie das erste Mal darüber nachgedacht hatte, gab es so etwas in der Gallusstadt immer noch nicht. Und so fand sie, wie auch zahlreiche Freunde von ihr, es sei an der Zeit, es nun selbst zu machen. Und da steht sie nun, mitten im fertig eingerichteten Laden in der Engelgasse, dort wo früher Wolle verkauft wurde. Pasta, Nüsse, Frühstücksflocken und Kaffee stehen bereit und erste Kundinnen und Kunden füllen die Produkte in ihre eigenen Behältnisse – Tupperware, Gläser, Büchsen. 

Für Marion Schiess, die als Restaurationsfachfrau, Köchin und Arbeitsagogin gearbeitet hat, ist schon lange klar: Beim Einkaufen möchte sie auf Plastik verzichten. «Ich merke aber, dass ich dabei immer an meine Grenzen stosse, obwohl ich meist in vier verschiedene Läden renne. Die meisten haben nur einzelne unverpackte Produkte», sagt Schiess.

Sponsor legte finanziellen Grundstein

Sie fand die Unverpackt-Läden in Zürich und Winterthur immer schon toll, sie lagen aber nicht am Weg. Das war ausschlaggebend für die Idee eines eigenen Unverpackt-Ladens. Die Reaktionen aus dem Umfeld zeigten: Da gibt es ein Bedürfnis. «Viele meinten: Endlich gibt es das hier», sagt Schiess. Die zahlreichen Mails bestätigten das noch mehr. «Ich konnte gar nicht alle beantworten», sagt sie

Sie hatte das Glück, einen Sponsor für den Start in die Selbstständigkeit zu finden. «Die Idee kam bei ihm sehr gut an, er meinte, ich solle beginnen und gab mir einen Kredit», sagt Schiess. So konnte sie loslegen, nach Ladenlokalen suchen und das Sortiment einkaufen. «Das hat mir den Start immens erleichtert. Es ist schön, dass es so tolle Menschen gibt», sagt die 28-Jährige. 

«Beim Einkaufen hat man Einfluss»

Für Schiess ist Einkaufen etwas, das bewusst gemacht werden sollte. «Mit dem, was man einkauft, legt man das Sortiment fest, indem man die Nachfrage oben hält. Einkaufen ist für mich ein politischer Entscheid, zumindest ein kleiner. Man muss sich bewusst machen, dass man selbst viel ändern und beeinflussen kann», sagt sie.

Schiess versucht privat saisonal einzukaufen und sie achtet darauf, dass die Produkte aus der Region sind. «Ich versuche, eine Mischung aus regional, saisonal und bio zu finden. Kompromisse muss man aber immer machen», sagt Schiess. Kompromisse musste sie auch bei ihren eigenen Produkten machen. «Es gibt Lieferanten, die noch nicht so weit sind, alles in grossen Verpackungen liefern zu können. Oftmals gibt es 25-Kilogramm-Einheiten, aber es gibt auch Firmen in der Region, die so etwas noch gar nicht anbieten», sagt Schiess. 

Das St.Galler-Öl beispielsweise wird zwar in einem grossen Karton geliefert, allerdings noch in Plastik verpackt. «Sie sind aber offen für neue Ideen. Wenn es gut läuft, bieten sie mir die Möglichkeit, das Öl in wiederverwendbaren Stahlbehältern zu liefern», sagt Schiess. Sie setzt in ihrem Laden auf Regionales: Tee und Essig stammen aus Herisau, der Kaffee und die Schokolade aus St.Gallen, zwei der Pasta-Sorten werden von einer Bäuerin gemacht.

«Was mache ich hier eigentlich?»

Jetzt, wo «Ganz Ohni» geöffnet hat, ist Marion Schiess nicht mehr nervös, sie freut sich vielmehr darauf, nach der langen Vorbereitungszeit endlich loszulegen. «Es gab aber durchaus Momente, in denen ich dachte ‹was mache ich hier eigentlich?›», sagt sie und lacht.

Das waren die Situationen, in denen der angelieferte Kühlschrank nicht durch die Tür passen wollte oder sie sich beim Einrichten des Kassensystems die Haare raufte. Nun ist es aber geschafft: Der Laden ist eingerichtet und feiert am heutigen Dienstagabend den ersten gemeisterten Tag. Ab 18 Uhr gibt es Bier und Drinks. «Ich freue mich, den Kundinnen und Kunden den Laden zu zeigen und darauf, dass in St.Gallen ein kleines bisschen weniger Plastikverpackungen verkauft werden», sagt Schiess.

veröffentlicht: 3. Dezember 2019 14:11
aktualisiert: 3. Dezember 2019 16:10
Quelle: FM1Today

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