Rorschach

«Schafft Begegnungen»: Pianos am See begeistern Musiker und Zuhörer

17.09.2022, 12:08 Uhr
· Online seit 17.09.2022, 12:06 Uhr
Anfang bis Mitte September wird ein Aufenthalt in Rorschach beinahe ständig von Musik begleitet. Im Rahmen des Projekts «Pianos am See» wurden in der Stadt und im Rorschacherberg mehrere Instrumente verteilt, die rege gespielt werden.
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Der Rorschacher Marktplatz ist an guten Tagen lebendig, geschäftig und auf angenehme Weise laut. An schlechten Tagen ist er einfach nur eine verlassene Betonwüste und hübsch ist er nie. Im September gelten jedoch andere Regeln.

Das gesellige Treiben der guten Tage ist auf einmal untermalt von Musik. Sie kommt vom Blätterpavillon, wo im September ein Piano steht, das ständig bespielt wird. Die Wirkung ist cineastisch, die Atmosphäre verdichtet sich – und Pizzaessen im Aussenbereich des Münzhofs ist zu Vivaldis «Vier Jahreszeiten» ein ganz und gar erhebendes Erlebnis.

Anderen hüpft das Herz an den schlechten Tagen – wenn sich «Another Love» von Tom Odell gemeinsam mit dem Nebel über den Betonplatz legt, wenn die Melancholie der Hafenstadt greifbar wird und Rorschach seine Natur als Sehnsuchtsort preisgibt.

Die Melodie der Stadt, die keine ist

Vom 3. bis zum 17. September stehen vier Pianos in Rorschach und Rochschacherberg. Diese können spontan gespielt wurden, auch Reservationen von Spielzeiten sind möglich. Das Angebot wird rege genutzt. Wenn die Sonne scheint, dann tönen die Pianos fast ununterbrochen. «Wir sind sehr zufrieden», sagt Mitveranstalter Rodolfo Marinelli, «Die Pianos verbreiten viel Freude bei den Musikern und den Zuhörern.»

Das ist spürbar. Die Klavierklänge in den Gassen Rorschachs wirken anregend, die Gegensätzlichkeit der oft schroffen Fassaden und der hübschen Klänge erzeugt eine eigenartige Stimmung.

Beinahe symptomatisch für die einst stolze Industrie- und Hafenstadt. Der Glanz früherer Textilherren ist verblasst, das einst stolze Hotel Anker verlottert, doch die Erinnerung an die Schönheit früherer Tage schwingt immer noch in den Mauern und Strassen der Stadt, die seit 1978 statistisch gesehen keine mehr ist.

Zulauf bei der Musikschule

Was Rorschach aber immer war – ist ein bunter Ort der Begegnung. Viele Kulturen leben in der kleinsten Gemeinde St.Gallens auf engem Raum zusammen und formen eine lebendige Gesellschaft. «Die Musik passt gut zu Rorschach», sagt auch Marinelli. Es sei schön zu beobachten, wie durch die Pianos Begegnungen entstehen, die es sonst wohl nicht geben würde.

Die Instrumente seien aber nicht nur eine Bühne für erfahrene Musiker, sondern auch ein niederschwelliger Zugang für Interessierte. Vor kurzem hätten am Marktplatz zwei Zwillingsmädchen mit grosser Begeisterung auf dem Piano herumgeklimpert. «Der Vater hat sich danach schon überlegt, ob er den Fernseher zu Hause durch ein Klavier austauschen könnte», sagt Marinelli. Nach dem Projekt im Jahr 2019 hätte es zudem spürbaren Zulauf bei der Musikschule gegeben.

Seesicht beim Klavierspielen

Unter den regelmässigen Klavierspielern ist auch Raphael Frei, der für das Amt des Gemeindepräsidenten in Rorschacherberg kandidiert. «Es wurden wunderschöne Locations für die Pianos ausgesucht – beim Schloss Wartegg oder auch am Hafen. Vor allem ermöglichen die Pianos aber Begegnungen», sagt auch der Freizeitmusiker.

Einmal habe er mit jemandem einen Boogie-Woogie gespielt, der dann die hohen Töne übernommen habe, bei anderen Gelegenheiten fragte Frei selbst, ob er mitspielen könne. Die Probe des von ihm geleiteten Chors verlagerte Frei auch gleich an den See: «Da kam jemand vorbei, der meinte er könne ein Lied von Queen spielen – und wir haben gleich Ad Hoc mitgesungen.»

Die Reaktionen seien ausschliesslich positiv gewesen, das Projekt hält Frei für eine tolle Sache. Dass die Pianos am See auch nächstes Jahr zurückkehren, ist aber alles andere als sicher.

Die Reserven sind aufgebraucht

Pianos am See ist ein privates Projekt einzelner Personen. «Viele nehmen an, es handle sich um eine Veranstaltung der Stadt», sagt Marinelli. Das stimme jedoch nicht. Der Verein sei auf Hilfe angewiesen – nach der Corona-Akutphase sei die Sponsorensuche allerdings viel schwieriger geworden.

«Wir haben die Reserven aufgebraucht. Nun müssen wir schauen, wie es weitergeht. Ohne finanzielle Hilfe wird es wohl nicht klappen», sagt er weiter. Ins Geld gehen vor allem die Transportkosten für die Instrumente, genauso wie das Stimmen. Die Pianos an sich würden in der Regel zur Verfügung gestellt – und diesmal nach Gebrauch auch verschenkt.

Das Piano am See wurde von der Primarschule Pestalozzi gestaltet und wird dieser nach dem Einsatz am Hafenbecken übergeben. Dort, wo im September die Kursschiffe zu Klavierklängen an- und ablegen. Zumindest war es dieses Jahr noch so.

veröffentlicht: 17. September 2022 12:06
aktualisiert: 17. September 2022 12:08
Quelle: FM1Today

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