Ostschweiz

Bei Umzug-Unglück: Todesangst an Schwellbrunner Fasnacht: «Bitte, bitte halt an!»

Umzug-Unglück

Todesangst an Schwellbrunner Fasnacht: «Bitte, bitte halt an!»

19.02.2024, 22:25 Uhr
· Online seit 19.02.2024, 17:36 Uhr
Am Fasnachtsumzug in Schwellbrunn kommt es am Sonntagnachmittag zu einem Auffahrunfall zwischen einem Bus und einem Einachser. Dabei werden insgesamt sieben Personen verletzt – zwei davon schwer. Am Tag danach erklärt eine Zuschauerin, wie sie haarscharf einem Unglück entkam.

Quelle: FM1Today/Sven Lenzi/Matthias Ganz

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«Ich dachte mir nur: Bitte, bitte halt an!», schildert Trudi Meier ihren Ausnahmezustand vom Sonntag. Sie wohnt seit 18 Jahren in ihrem Haus in Schwellbrunn und hat den Fasnachtsumzug auf der anderen Strassenseite mitverfolgt. «Gerade dort, wo der Bus zum Stillstand kam. Er hielt ein paar Zentimeter vor mir an. Ich habe mich einfach so fest ich konnte an den Eisenzaun gedrückt», so Meier.

«Wohl ein alter ‹Chlapf›»

Was ein fröhlicher Nachmittag in Schwellbrunn hätte werden sollen, endet am Sonntag mit einem tragischen Unfall am Fasnachtsumzug. Während des Umzugs mit mehreren Gruppen, der sich im Schritttempo in Richtung Dorf bewegte, ereignete sich um etwa 14 Uhr ein Auffahrunfall mit zwei Wägen. Ein umgebauter Bus fuhr auf einen landwirtschaftlichen Motoreinachser mit Anhänger auf. «Wohl ein alter ‹Chlapf›, bei dem nicht alles mehr so funktionierte, wie es sollte», meint Trudi Meier.

Und weiter: «Andere hatten weniger Glück als ich, standen vielleicht noch näher an der Strasse. Das Gefährt kam mir vor wie ein Monster, als es auf uns zukam. Es schien, als räume der Bus alles aus dem Weg, was ihm in die Quere kam. Ich jedenfalls werde nie mehr an diesen Zaun stehen.»

Ihr Beinahe-Unglück am Umzug beschäftigt sie auch danach noch. «Anschliessend ging ich ins Haus, habe nur noch geschlottert. Zu meiner Familie habe ich gesagt: ‹Wir könnten jetzt ganz woanders sein. Oder es könnte uns sogar nicht mehr geben.› Ich musste noch mit etwas Medizin nachhelfen, sonst hätte ich wohl keinen Schlaf gefunden.»

Quelle: BRK News / CH Media Video Unit / Linus Bauer

Umzug umgehend abgebrochen

Beim Aufprall stürzten mehrere Personen vom Motoreinachser, andere wurden unter dem Bus eingeklemmt, zwei davon mussten von der Feuerwehr Schwellbrunn und Herisau aus ihrer misslichen Lage befreit werden, weiss Anton Sonderegger, Mediensprecher der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden. Der Fasnachtsumzug wurde von den Veranstaltern nach dem Unfall umgehend abgebrochen.

«Habe Schreie gehört, Chaos brach aus»

Irene Sturzenegger wohnt an der gleichen Strasse wie Trudi Meier. Dass ihr die Tragödie vom Sonntag nahe geht, wird schnell klar. Mit feuchten Augen sagt sie: «Das ist ganz schlimm. Ich stand hier, habe den Umzug gesehen, der zunächst wirklich wunderbar war. Dann kam dieser Bus, ich glaube, es war der letzte Wagen des Umzugs. Er schoss regelrecht in die zuschauenden Leute am Strassenrand. Dann habe ich Schreie gehört, Chaos brach aus. Und: Es hätte auch noch viel schlimmer kommen können.» Viele Leute konnten sich scheinbar nämlich rechtzeitig in Sicherheit bringen.

«Danach gingen alle wieder nach Hause. Einige Jugendliche sind sogar gerannt. Grosse Trauer brach aus. Das haben wir hier in Schwellbrunn noch nie so erlebt. Geschlafen hat in der letzten Nacht wohl niemand gut in unserem Dorf.»

Premieren-Jahr für die Organisatoren

«Dieser tragische Unfall macht auch mich betroffen. Die Leute werden hier zusammenstehen, wie sie es immer machen. Das gehört bei uns hier in Schwellbrunn zur Tradition», so Ueli Frischknecht, Gemeindepräsident von Schwellbrunn und Mitglied der SVP.

Er selbst war am Sonntag nicht vor Ort. Der Umzug wurde erstmals durch das Team «Knautschis Barwagen» organisiert. Die Gruppe gibt keine Auskunft, verweist aber auf den Gemeindepräsidenten. Er ist sich sicher: «Klar wird der Vorfall bei den Direktbetroffenen Narben hinterlassen. Narben, die lange brauchen, bis sie geheilt sind. Wenn sie irgendwann überhaupt heilen.» Frischknecht sagt abschliessend: «Wie es konkret mit dem Fasnachtsumzug weitergehen wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Es wäre verfrüht, hier bereits ein Urteil zu fällen.»

Die ungeklärte Tempo-Frage

Wie es genau zum Auffahrunfall kommen konnte, klärt die Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden ab. Am Montag haben sich noch keine Annahmen diesbezüglich bewahrheitet. Im Dorf gehen die Meinungen dazu auseinander. «Ich hatte das Gefühl, er kam zu schnell. Sicher schneller als die anderen Umzugswägen», mutmasst Trudi Meier. «Ich glaube schon, dass er im Schritttempo unterwegs war. Aber in der Nähe der Leute konnte er wohl nicht mehr bremsen», entgegnet Irene Sturzenegger.

Der Zustand der zwei schwerverletzten Personen ist laut Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden mittlerweile stabil. Nichtsdestotrotz: Der «Blochmontag» in Schwellbrunn, er dürfte gleichbedeutend mit einem abrupten und getrübten Ende der Ausserrhoder Fasnacht sein.

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veröffentlicht: 19. Februar 2024 17:36
aktualisiert: 19. Februar 2024 22:25
Quelle: FM1Today

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