Quelle: TeleBärn
Wer genau den frisch gebackenen SP-Bundesrat Beat Jans gewählt hat, bleibt geheim. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier schreiben bei Bundesratswahlen ihre Favoritin oder ihren Favoriten auf anonyme Stimmzettel. Zumindest bei der FDP ging es am Mittwoch nicht ganz so anonym zu und her.
Ohne Umschweife sagte FDP-Präsident Thierry Burkart im SRF-«Rundschau Talk» am Abend nach den Wahlen: «Unsere Leute haben aus dem SP-Ticket gewählt. Das haben wir so beschlossen in der Fraktion und das haben wir sogar fast schon kontrolliert.» Er sei «durch die Reihen» gegangen und habe mit Leuten geredet. «Und alle sagten, sie hätten auch links und rechts geschaut. Da gab es eine gewisse Sozialkontrolle.» Ungefähr eine bis drei Stimmen habe es für Daniel Jositsch gegeben (siehe Video).
«Soziale Kontrolle wie in der DDR»
Damit konterte Thierry Burkart den Vorwurf, dass das bürgerliche Lager zu Teilen für den wilden Daniel Jositsch gestimmt habe. Die SP habe die FDP beim Sitz von Bundesrat Ignazio Cassis mehrheitlich nicht unterstützt, merkte er an. «Ich finde es etwas dreist von den Sozialdemokraten, uns den Vorwurf zu machen, wir hätten nicht nach dem Ticket gewählt, ohne zu wissen, wer wie gewählt hat.»
Burkarts Kontroll-Gang während der Wahlen des neuen SP-Bundesrats führt zu einem Aufschrei. «In einer liberalen Fraktion eine ‹soziale Kontrolle› der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses durchzusetzen, und sich als Liberale das noch gefallen zu lassen, ist vieles, aber kaum noch liberal», kritisiert Mitte-Präsident Gerhard Pfister auf X, vormals Twitter.
In einer liberalen Fraktion eine ‚soziale Kontrolle‘ der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses durchzusetzen, und sich als Liberale das noch gefallen zu lassen, ist vieles, aber kaum noch liberal. @FDP_Liberalen https://t.co/2dOXhZjHQW
— Gerhard Pfister 🤍💙💛 (@gerhardpfister) December 14, 2023
Andere User schliessen sich der Schelte an. «‹Soziale Kontrolle›: Bei den liberalen FDP-Parlamentariern besteht wohl kein Wahlgeheimnis, indem man vom Präsidenten und seinem SitznachbarIn kontrolliert wird!», schreibt jemand. Ein User schliesst daraus: «Soziale Kontrolle wie in der DDR jetzt auch bei der FDP.» Auch steht die Frage im Raum, ob das Vorgehen erlaubt ist. «Es ist ja eigentlich schon verfassungswidrig», schreibt jemand. Ein weiterer User fragt: «Das ist doch verboten?».
Burkart kritisiert SP
Thierry Burkart liess eine Anfrage der Today-Redaktion am Donnerstag bisher unbeantwortet. Auf X schiesst er zurück: «Aber wie die SP bei Cassis gestimmt hat, ist für die Medien selbstverständlich klar? Nämlich genau so, wie es die SP sagt! Da muss man selbstverständlich nicht hinterfragen.» Zuvor hatte eine Journalistin sein Vorgehen in einem Post trocken als «bemerkenswert» bezeichnet.
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Einzelne Stimmen nehmen den FDP-Chef aus der Schusslinie. «Welche Heuchelei! Als ob nicht jeder Partei- und Fraktionspräsident Abstimmungsdisziplin anstreben würde», relativiert ein User. Andere sprechen von einem «Bluff» und glauben nicht, dass alle Fraktionsmitglieder so unverschämt gewesen seien, einander auf den Zettel zu schauen.
Vorschreiben verboten
Für die Ratsmitglieder gilt ein Instruktionsverbot. «Niemand kann ihnen vorschreiben, wie sie zu sprechen, zu wählen oder abzustimmen haben», lautet es darin. Allfällige Abreden und Weisungen seien nichtig, das heisse rechtlich nicht durchsetzbar.
Gegen das Gesetz verstiess Thierry Burkart bei seinem Kontroll-Gang in der Fraktion nicht. «Das Gesetz verbietet nicht, dass sich die Ratsmitglieder freiwillig an Abreden halten oder Interessen vertreten», hält das Instruktionsverbot weiter fest. Dieses sogenannte «freie Mandat» ermöglicht es den Ratsmitgliedern, Kompromisse einzugehen und dient so der Entscheidungsfähigkeit, demnach der Funktionsfähigkeit des Parlaments.