Sechs-Punkte-Vision für Schweizer Aussenpolitik

02.07.2019, 18:12 Uhr
· Online seit 02.07.2019, 18:00 Uhr
Die Aussenpolitik der Schweiz muss fokussierter, vernetzter und beweglicher werden. Eine von EDA-Vorsteher Ignazio Cassis eingesetzte Arbeitsgruppe hat die Vision bis 2028 vorgestellt. Auch in zehn Jahren werde der EU-Beitritt nicht zur Debatte stehen.
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Eine übergeordnete Gesamtsicht bestehe im Aussendepartement nicht, schreibt Cassis im Vorwort zum rund sechzigseitigen Dokument, das Vertreter der Arbeitsgruppe am Dienstagabend in Bern der Öffentlichkeit vorstellten. Bisher ist die Schweizer Aussenpolitik laut Cassis in der Regel «opportunitätsgetrieben» erfolgt.

Mit der Digitalisierung, dem Klimawandel, politischen Machtverschiebungen, der Zunahme geopolitischer Spannungen, Handelskonflikten, Migrationsbewegungen und dem damit verbundenen Vertrauensverlust in die etablierte Politik seien viele Dinge in Bewegung geraten und wirkten auf die Schweiz ein.

Die Welt werde rauer, fragmentierter, komplizierter und schwerer berechenbar. Für die Schweiz bedeute dies, dass sie ihren Erfolg nicht einfach verwalten könne. Sie müsse mehr als früher aus einer klar definierten Position heraus agieren und gegen aussen geeint auftreten.

Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) setzte deshalb im Herbst 2018 eine Arbeitsgruppe ein. Diese erhielt den Auftrag, eine «Aussenpolitische Vision Schweiz 2028» (Avis28) zu erarbeiten. Der Bericht soll dem EDA «als Inspirationsquelle dienen» und zugleich eine breite Diskussion über die Zukunft der Schweizer Aussenpolitik anstossen.

Die Zehnjahresperspektive umfasst im Wesentlichen sechs Punkte. Bis in zehn Jahren soll die Schweiz unter anderem die institutionellen Fragen mit der EU geregelt und den bilateralen Weg konsolidiert haben. Bis 2028 sollen zudem neue Technologien als Themenfeld der Aussenpolitik etabliert sein. Stärker in den Fokus genommen werden sollen die Bedürfnisse der Bürger und der Wirtschaft.

Die Vision setzt überdies auf die innere Stärke der Schweiz bei ihrem Engagement für eine friedlichere und stabile Welt. Sie will deshalb klare thematische und regionale Prioritäten setzen. Schliesslich müsse die Aussenpolitik angesichts des zunehmenden Unbehagens in der Bevölkerung gegenüber äusseren Einflüssen eng mit der Innenpolitik verknüpft sein und von letzterer breit getragen werden.

Ein wichtiges Kapitel von Avis28 ist dem Verhältnis zwischen der Schweiz und Europa gewidmet, der «Schlüsselfrage ihrer Aussenpolitik». Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt bleibe für den Wohlstand der Schweiz zentral. Wegweisend für die Sicherheit der Schweiz werde zudem sein, wie sich Europa zwischen den Weltmächten behaupte.

Für die Arbeitsgruppe heisst das unter dem Strich, dass die Schweiz eine enge und entwicklungsfähige Partnerschaft mit der EU und ihren Mitgliedstaaten braucht. Auch in zehn Jahren werde jedoch eine EU-Beitritt nicht zur Debatte stehen. «Die Schweiz soll weiterhin über den bilateralen Weg das optimale Gleichgewicht zwischen weitreichendem Marktzugang und Bewahrung grösstmöglicher politischer Eigenständigkeit realisieren.»

Durch das Mitgestalten von Normen im Rahmen eines institutionellen Abkommens werde das Verhältnis zur EU zwar nicht konfliktfrei, aber «konstruktiv konfliktfähig». Ein gemischter parlamentarischer Ausschuss aus Mitgliedern der Bundesversammlung und des Europäischen Parlamentes könne neue Einflussmöglichkeiten schaffen.

«Die Vision ist die Vorstellung eines Zustandes, den wir erreichen wollen», schreibt Cassis im Vorwort zum Bericht Avis28. Dieser zeigt auch Wege auf, wie die Vision realisiert werden kann. Die neunköpfige Arbeitsgruppe setzte sich aus ranghohen EDA-Funktionsträgern, dem Präsidenten der Kantonsregierungen sowie Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen.

veröffentlicht: 2. Juli 2019 18:00
aktualisiert: 2. Juli 2019 18:12
Quelle: SDA

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