Spielt Müller wirklich immer?

27.06.2018, 08:02 Uhr
· Online seit 27.06.2018, 07:00 Uhr
An den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 hat Thomas Müller je fünf Tore erzielt - mehr als Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. In Russland müllert es bislang noch nicht. Der Stammplatz ist in Gefahr.
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Dank Toni Kroos gab es rund ums deutsche Camp am letzten Wochenende Entwarnung.«Kroos-artig!» und «Deutschland stirbt nie!» jubelten die Medien. Aber alle Probleme des deutschen Teams wurden durch Toni Kroos' späten Schuss ins Glück gegen Schweden (2:1) noch nicht behoben. Thomas Müller, der eigentlich die Offensive antreiben sollte, spielte nun schon zweimal schwach.

Früher wurde Müller an Weltmeisterschaften bejubelt wie aktuell Kroos. 2010 in Südafrika wurde er mit fünf Toren und drei Assists als dritter Deutscher nach Gerd Müller (1970) und Miroslav Klose (2006) Torschützenkönig. Auch beim Titelgewinn 2014 in Brasilien gelangen Müller fünf wichtige Goals. Aber in Russland blieb er gegen Mexiko und Schweden mehr als blass, nachdem ihm schon an der Europameisterschaft vor zwei Jahren kein Treffer gelungen war.

Müller ist einer, der über sich selber lachen kann. Der 28-jährige Stürmer von Bayern München verlor bislang auch in Russland und in der Krise die Selbstironie nicht. Gegen Mexiko sei es doch wunderbar gelaufen, sagte er. «Zwei Mal links oben! Und Kopfbälle waren auch drinnen. Der Punkt ist nur: Das war beim Einspielen, die Gegenspieler waren noch nicht da.»

Das 2:1 gegen Schweden «kann ein entscheidender Wendepunkt sein», sagte Müller am Samstag. Er meinte die Wirkung für die Mannschaft und weniger für sich persönlich.

Es ist nicht so, dass Müller nicht alles probieren würde, um auch in Russland wieder der unwiderstehliche Angreifer zu sein, den er an den letzten beiden Weltmeisterschaften abgab. Im Training versuchte es Müller sogar mit einem Fallrückzieher beim Fussball-Tennis. Als Fakt bleibt aber vor dem letzten deutschen Vorrundenspiel: Freistossschütze Toni Kroos rettete den Weltmeister gegen Schweden am Ende der Nachspielzeit, Marco Reus erzielte das wichtige 1:1, Timo Werner setzte Akzente als Vorbereiter, Mario Gomez warf sich vorne im Strafraum in jedes Getümmel, Julian Brandt hätte bei seinem zweiten Kurzeinsatz fast als Joker gestochen, er traf schon zweimal den Pfosten. Nur Thomas Müller blieb während zweimal 90 Minuten wirkungslos.

Bislang galt, wie einst unter Louis van Gaal bei Bayern München, auch bei Bundestrainer Joachim Löw der Satz: «Müller spielt immer!» An der letzten EM stand Müller trotz Torflaute die gesamten 570 Minuten auf dem Platz. Jetzt stellt sich die Frage: Ist Müller womöglich nach Mesut Özil und Sami Khedira der dritte bislang unantastbare Weltmeister, den Jogi Löw auf die Bank setzt? Dabei galt Müller noch Anfang Monat als Captain-Anwärter, weil nicht sicher war, ob Manuel Neuer das Tor würde hüten können.

Trotz Formbaisse gibt es auch Argumente, die für Müller sprechen. Müller ist mit 38 Länderspieltoren der erfolgreichste deutsche Angreifer in Russland und der Erfahrenste noch dazu. Seine Laufwege auf dem Rasen sind oft unergründlich, was neben der Leichtigkeit und Frechheit eine weitere Stärke ist. Müller ist auch ohne Tore für Deutschland wertvoll: als mitreissender Anführer, als Kämpfer fürs Team, als Figur. «Typen wie Müller findet man nicht so leicht», äussert sich Teammanager Oliver Bierhoff hochachtungsvoll über den Münchner.

Müllers Rolle ist nicht mehr die gleiche wie vor acht Jahren als 20-Jähriger. Der Vielredner ist zur Persönlichkeit gereift: «Ich schaue mehr auf das Globale und aufs Ganze als etwa als Zwanzigjähriger. Das ist ein Reifeprozess. Jetzt mache ich mir viel mehr Gedanken.» Vielleicht sollte er sich am Mittwoch gegen Südkorea mehr auf sich, auf sein Spiel und auf das gegnerische Tor fokussieren. Vielleicht müllert es dann wieder wie früher.

veröffentlicht: 27. Juni 2018 07:00
aktualisiert: 27. Juni 2018 08:02
Quelle: SDA

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