Film-Branche

Stefan Zürcher: Der Schweizer, der James Bond auf die Piste schickte

14.12.2023, 07:41 Uhr
· Online seit 14.12.2023, 05:57 Uhr
Stefan Zürcher blickt auf eine glanzvolle Karriere zurück. Über 55 Jahre lang war der Berner Oberländer im Filmbusiness tätig – und hat so einige Anekdoten in seinem Nähkästchen. Ob Ausflüge mit Liza Minelli oder den damals schönsten Schauspieler der Welt doubeln – Zürcher hat's gemacht.
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Er ist Duzis mit Hollywood-Stars und -Sternchen, hat bei oscarprämierten Filmen mitgearbeitet und Dinge erlebt, die gleich für mehrere Leben reichen würden. Dennoch kann er unbehelligt durch Strassen flanieren. Die Rede ist von Stefan Zürcher.

Von der Heimat nach Kanada und wieder zurück

Zürcher blickt auf eine lange Karriere im Filmbusiness zurück: Stuntdouble, Produktionsleiter und Locationmanager war er. Dass er irgendwann mal in der Filmindustrie landen würde, davon ging Zürcher nie aus: «Ich hatte als Junger eigentlich kein Interesse an Filmen, das war so weit weg. Ich habe mich nie damit befasst.» Es sei dem Zufall zu verdanken, dass er dort landete – und seinem skifahrerischen Talent.

Nachdem er nach Kanada ausgewandert war, zog es ihn ein paar Jahre später zurück ins Berner Oberland nach Mürren. Der Grund: Sein Vater sagte ihm, dass hier ein Film gedreht werde, bei dem es gute Skifahrer brauche. Er folgte dann dem Ruf des wohl berühmtesten Geheimagenten der Welt. Denn zum ersten Mal auf der Leinwand ist Zürcher zu sehen, als er George Lazenby im Bond-Streifen «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» als Bösewicht mit den Skiern verfolgt.

Der doppelte Redford

Nach den Dreharbeiten zum Bond-Film wechselte Zürcher 1969 die Seite des Lauterbrunnentals und kehrte in seine Heimat Wengen zurück. Dort liefen gerade die Dreharbeiten von «Downhill Racer» mit Robert Redford und Gene Hackman. «Ihnen fehlten noch ein paar Rennsequenzen und Stürze am Lauberhorn. Da durfte ich gleich als Double von Robert Redford einspringen», erzählt Zürcher.

An die Dreharbeiten erinnert sich der Berner Oberländer gerne. «Es war ein kleines Team mit Robert Redford. So konnte man sich besser kennenlernen», sagt Zürcher. Daraus sei eine Freundschaft mit dem Hollywood-Beau entstanden: «Er kam ein paar Mal nach Wengen in die Skiferien. Ich besuchte ihn ein paar Mal in Salt Lake City. Und auch heute telefonieren wir noch ab und zu.»

Redford galt damals als wohl schönster Schauspieler seiner Zeit, die Frauenherzen flogen ihm zu. Auf die Frage, wie es für ihn war, das Sexsymbol zu doubeln, sagt Zürcher verschmitzt: «Ich war halt früher auch ein hübscher Stuntman, darum hat das gut zusammengepasst.» Zürcher kann sich danach ein Lachen nicht verkneifen. Vielleicht habe es aber auch daran gelegen, dass sonst niemand zur Verfügung stand.

Der Wechsel in die Produktion

Nach den Dreharbeiten war für ihn klar, dass sein Glück in der Filmbranche liegt. Zürcher arbeitete noch ein paar Mal als Stuntdouble, merkte aber schnell, dass das nicht seine Zukunft sein kann: «Zum einen wurde ich älter und es gab ja Profis, die das besser konnten als ich. Und zum anderen werden ja nicht haufenweise Skifilme gedreht.» Zürcher wechselte darum in die Produktion. Er heuerte bei den Münchner Bavaria-Filmstudios an. Er war Produktionsleiter, Locationmanager, Safety Officer am Set oder führte Machbarkeitsstudien zu Stunts und Filmprojekten durch.

Zürcher hatte den richtigen Riecher. Denn in den 70er- und 80er-Jahren wanderten viele grosse Hollywood-Produktionen nach München. So beispielsweise auch der mit acht Oscars ausgezeichnete Film «Cabaret» mit Liza Minelli. Und mit ihr hat Zürcher einiges erlebt. So machten die beiden zusammen während der Dreharbeiten in Deutschland einen Ausflug auf die Hamburger Reeperbahn.

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Mit Minelli an die Sex-Show

Der Filmproduzent öffnet nun das Nähkästchen und plaudert frei von der Leber weg. Die Film-Crew habe aus US-Amerikanern und Europäern bestanden. «Die Europäer warfen den Amis immer vor, sie seien so prüde. Ein Deutscher aus dem Team sagte mal, dass es auf der Reeperbahn Live-Sex-Shows gebe. Das glaubten die Amerikaner aber nicht. Also sagte ich kurzerhand: Wir machen einen Ausflug.» Zürcher organisierte für Minelli und Co. Sitze in der ersten Reihe für eine Show im Cabaret.

Als das Schauspiel beginnen sollte und die Akteure auf der Bühne waren, begann Liza Minelli lauthals an zu lachen. «Sie konnte einfach nicht aufhören, also brachen sie die Übung auf der Bühne ab und wollten uns rausschmeissen», erzählt Zürcher. Die Veranstalter wussten aber nicht, dass es sich bei dem Störenfried um die Hollywood-Grösse handelte. Nach einem kurzen Gespräch konnte er sie aber überzeugen, dass sie die Show zu Ende schauen dürfen. Minelli lachte nicht mehr – und die Amerikaner wussten nun, dass das Team bezüglich der Reeperbahn nicht gelogen hatte.

Eisige Nacht auf dem Gletscher

Doch neben lustigen Anekdoten hat Zürcher auch einige gefährliche Situationen erlebt. So zum Beispiel bei den Dreharbeiten zum Bond-Film «Der Spion, der mich liebte» im Engadin. Zürcher doubelte dort Bond-Darsteller Roger Moore. «Wir mussten mit Willy Bogner auf einem Gletscher ein paar Ski-Szenen drehen und ich trug nur einen dünnen Ski-Anzug, wie ihn Roger trug», erinnert er sich. Im Tal braute sich Nebel zusammen. «Die Bergführer warnten schon länger, dass wir die Dreharbeiten abbrechen sollen, aber Willy wollte weiterfilmen.» Irgendwann war der Nebel dann aber auf dem Gletscher.

Hastig musste das 20-köpfige Team ausgeflogen werden. «Zuerst wurden die Gebirgsuntauglichen in Sicherheit gebracht. Ich und die Bergführer blieben vorerst zurück», so Zürcher weiter. Aufgrund des schlechten Wetters konnte der Helikopter sie aber nicht mehr abholen. «Wir waren dort gefangen – ohne Ausrüstung zum Übernachten. Also begannen wir ein Iglu zu bauen, um Schutz zu haben.» Es herrschten eisige Temperaturen von etwa minus 15 Grad.

An Schlaf war nicht zu denken. «Damit ich in Bewegung blieb und nicht frieren musste, zersägte ich die Kamerastative – die waren damals zum Glück noch aus Holz – und machte ein Feuer. In einer Filmdose kochte ich mir dann Tee.» Ganze drei Stative habe er in dieser Nacht verbrannt. Am Morgen kam dann der rettende Helikopter und flog sie ins Tal. Dort gab es eine warme Dusche im Hotel, bevor am Nachmittag weitergedreht wurde.

Die Wüste platt gemacht

Doch nicht nur in eisigen Höhen war Zürcher filmisch unterwegs, sondern auch in der brütend heissen Hitze der Wüste. Er war in der Westsahara auf Motivsuche für den Film «Ishtar» von Elaine May. Die Regisseurin war begeistert von der atemberaubenden Szenerie, erinnert er sich, doch etwas hat sie gestört: «Sie wollte das Gefühl von Weite und Unendlichkeit haben. Doch das ging mit den Dünen nicht. Sie wollte eine flache Wüste.» Doch in einer Wüste hat es halt vom Wind aufgetürmte Dünen.

May sagte, dass sie dies verstehe, aber dennoch bestand sie darauf, dass die Wüste flach sein müsse. «Also habe ich den Auftrag erhalten, während zweier Monate einen Quadratkilometer Wüste mit grossen Baggern zu ebenen», so der Produzent und fügt an: «Die Einheimischen hätten mich vermutlich am liebsten in ein Heim eingeliefert. Für sie war das unverständlich.» Der Aufwand wurde allerdings nicht belohnt, der Film floppte in den Kinos.

Mit Pistenfahrzeug abgetaucht

Zürcher war an vielen Filmen beteiligt, war aber auch immer Teil der sogenannten «Bond-Familie». Also immer, wenn 007 im Schnee unterwegs war, war Zürcher mit von der Partie. So auch beim Bond-Film «Der Hauch des Todes».

Dabei kam es zu seinem wohl einschneidendsten Erlebnis, wie er selbst sagt. Für eine Szene mit dem Bond-Auto musste ein vereister See von Schnee befreit werden. «Wir machten das gemeinsam mit den Bauern aus der Region, die mit ihren Traktoren das Eis räumten. Doch dadurch entstanden Schneeberge auf dem See, welche man auf den Aufnahmen gesehen hätte», erläutert Zürcher. Er wollte die Schneemassen mit einem Pistenfahrzeug wegschieben, doch niemand habe sich getraut, mit dem über sieben Tonnen schweren Fahrzeug aufs Eis zu fahren. Also beschloss er, es selbst zu tun.

Diese Entscheidung hatte Folgen. Nach gut zwei Stunden Schneeherumschieben hörte er plötzlich ein Knacken unter sich. Das Eis gab nach. «Ich legte den Rückwärtsgang ein und gab Vollgas, damit ich aus dem Loch komme. Doch durch die Kraft grub ich mich nur noch mehr ein und das Fahrzeug begann zu sinken.» Die Eisschollen blockierten die Türen, er war gefangen. Das kalte Wasser flutete die Kabine, er hatte nur noch rund 15 Zentimeter Platz, um Luft zu holen.

«Ich dachte nur noch: Meine letzte Chance ist es, unter Wasser die Tür zu öffnen und dann hoffentlich an die Oberfläche gelangen zu können», schildert Zürcher den beängstigenden Moment. «Ich habe schon fast mit dem Leben abgeschlossen. Ich habe meine Schutzengel flattern gehört», sagt er weiter. Und diese Schutzengel standen ihm bei. Im letzten Moment sprang der Eismeister ins Wasser und riss die Türe einen Spalt weit auf, sodass Zürcher sich befreien konnte. Das Pistenfahrzeug sank auf den Seegrund.

Lieber im Hintergrund

Über seine Begegnungen mit den Stars sagt der Wengener, dass es zwei Arten gab. Solche, die er als «Business as usual» bezeichnete und solche, bei denen die Chemie stimmte. «Teilweise kamen Schauspieler oder Regisseure auf mich zu und sprachen mit mir über Privates und Persönliches. Sie wussten, dass ich schweige.» Obwohl er mit Filmgrössen auf Tuchfühlung und auch selbst auf der grossen Leinwand zu sehen war, machte sich der 78-Jährige nichts aus dem Rampenlicht. «Ich machte immer auf Understatement, weil ich auch gar nicht wollte, dass die Leute allzu viel über mich wissen», erklärt er.

Auch dazu hat er eine Anekdote auf Lager. Er sei mal als Gast in der Talkshow von Matt Lauer gewesen. Da sprach ihn Lauer darauf an, ob es nicht enttäuschend sei, dass man ihn als Filmgrösse nicht auf der Strasse erkenne. Seine saloppe Antwort: «Gott sei Dank ist das so.»

Erste Premiere mit über 70

Ein weiterer Fakt unterstreicht seine Zurückhaltung. So war der Berner Oberländer beispielsweise nie an einer offiziellen Premiere der Filme, bei denen er mitgewirkt hatte: «Ich schaute die Filme lieber in der Schweiz. Ich musste nicht extra nach New York fliegen oder so.» Allerdings gab es eine Ausnahme. Und zwar ging er an die Premiere von «Spectre». Es war sein vermutlich letzter Bond-Film und er war damit über eineinhalb Jahre lang beschäftigt. «Ich musste zwar über 70 Jahre alt werden, damit ich mal eine Premiere richtig miterlebe. Aber das Erlebnis, in der Royal Albert Hall zu sein und die Atmosphäre zu spüren, ist schon einzigartig», schwärmt er. Es sei für ihn ein gelungener Abschluss gewesen.

Zürcher hat seine Leben in einem Buch zusammengefasst. Es sei aber keine Biografie, die seien langweilig, sondern eine Sammlung von Erlebnissen und Anekdoten. Das Buch «Im Geheimdienst von James Bond» ist bei deinem Buchhändler des Vertrauens zu finden.

veröffentlicht: 14. Dezember 2023 05:57
aktualisiert: 14. Dezember 2023 07:41
Quelle: FM1Today

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