Terroranschlag Brüssel

Ein Opfer wohnte in der Schweiz – mutmasslicher Täter ist tot

17.10.2023, 18:10 Uhr
· Online seit 17.10.2023, 05:55 Uhr
Brüssel steht nach den tödlichen Schüssen auf zwei Menschen unter Schock. Die Polizei hat den mutmasslichen Täter erschossen. Ein Opfer soll in der Schweiz, im Kanton Bern gelebt haben. Für die belgische Hauptstadt wurde am Montagabend die höchste Terrorstufe ausgerufen.

Quelle: Reuters / CH Media Video Unit / Ramona De Cesaris

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Ein Mann sei am Dienstagmorgen in einem Café «neutralisiert» worden, erklärt Belgiens Innenministerin. Laut dem belgischen Medium «rtbf» wurde dem Mann in die Brust geschossen. Gegen 9 Uhr bestätigte der Ministerpräsident, dass es sich um den Attentäter handelt. Belgiens Innenministerin Annelies Verlinden erklärte gegenüber dem Sender «VRT» kurz nach 9 Uhr, dass der mutmassliche Täter gefasst wurde. Er sei möglicherweise auf dem Weg ins Spital gestorben. «Ich kann bestätigen, dass er in einem Café gefunden und dort erschossen wurde.»

Ein Opfer hatte Wohnsitz in der Schweiz

Bei den Opfern handelt es sich laut Premierminister Alexander De Croo um zwei Schweden. Es waren zwei Männer im Alter von ungefähr 60 und ungefähr 70 Jahren. Das bestätigte das schwedische Aussenministerium dem Fernsehsender TV4 am Dienstag. Einer könnte zudem die Schweizer Staatsangehörigkeit gehabt haben, berichtete Bundesanwalt Frédéric Van Leeuw in einer Medienkonferenz am frühen Dienstagmorgen. Beim Opfer sei eine Schweizer Identitätskarte (ID) gefunden worden. Die Doppelbürgerschaft werde nun abgeklärt.

Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA bestätigt den Tod eines Schwedens mit Schweizer Wohnsitz auf Anfrage der Today-Redaktion: «Das EDA hat Kenntnis von einem schwedischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, welcher Opfer des Anschlags vom Montagabend in Brüssel wurde.» Aus Daten- und Persönlichkeitsschutzgründen würden keine weiteren Angaben gemacht. Laut Recherchen des Blicks lebte der 60-jährige Mann mit seiner Familie im Kanton Bern und arbeitete bei der SBB.  

Sie starben rund fünf Kilometer entfernt vom Brüsseler Fussballstadion, wo die Nationalmannschaften Belgiens und Schwedens in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander spielten. Das Spiel wurde abgebrochen. Wegen eines «potenziell terroristischen Motivs» zog die Bundesstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich.

Verstärkte Polizeipräsenz in belgischer Hauptstadt

De Croo sagte, weil die Bedrohungslage für Brüssel auf die höchste Stufe hochgestuft worden sei, werde es nun eine verstärkte Polizeipräsenz geben. Auch an einer Reihe von sensiblen Orten, insbesondere an Orten, die mit der schwedischen Gemeinschaft in Verbindung stehen, würden verstärkte Sicherheitsmassnahmen durchgeführt. Auch im restlichen Land gebe es verstärkte Kontrollen. De Croo rief alle Menschen in Brüssel zu erhöhter Wachsamkeit auf. Am Nachmittag solle der nationale Sicherheitsrat zusammenkommen.

Am frühen Abend war laut Nachrichtenagentur Belga ein bewaffneter Mann im Norden der Innenstadt von einem Roller abgestiegen und hatte auf der Strasse Schüsse abgegeben. Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Polizei bestätigte diese Angaben zunächst nicht. Ein drittes Opfer, ein schwedischer Mann im Alter von etwa 70 Jahren, ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen ausser Lebensgefahr.

Nicht der erste Terroranschlag in Brüssel

Bei dem EM-Qualifikationsspiel verbreitete sich die Nachricht vom Tod der beiden Schweden in der Halbzeit. Nach Angaben des schwedischen TV-Senders SVT hätten die Spieler der schwedischen Nationalmannschaft daraufhin beschlossen, das Spiel nicht fortzusetzen. Die belgischen Nationalspieler hätten sich dem angeschlossen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen zunächst im Brüsseler Fussballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten.

Es ist nicht das erste Mal, dass in Brüssel Menschen Opfer eines Anschlags werden. Erst vor rund vier Wochen endete der Prozess zu den Brüsseler Terroranschlägen von 2016. Drei Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatten damals Bomben am Brüsseler Flughafen Zaventem sowie in einer U-Bahn-Station im Herzen der belgischen Hauptstadt gezündet.

Sie töteten über 30 Menschen, 340 wurden verletzt. Für Fassungslosigkeit bei den Hinterbliebenen sorgten damals auch Medienberichte, wonach mehrere der Angeklagten vor den Anschlägen von den belgischen Sicherheitsbehörden überwacht worden waren – und später dennoch ihre Bluttaten verüben konnten.

Brüsseler Attentäter war Behörden bekannt

Bei der aktuellen Tat sind die Motive noch offen. Der mutmassliche Brüsseler Attentäter, der zwei Schweden erschossen haben soll, ist den Behörden bekannt. Die Ermittlungen dauerten an, aber man könne bereits jetzt sagen, dass es sich um einen 45-jährigen Tunesier handele, der im November 2019 in Belgien Asyl beantragt habe, sagte Justizminister Vincent van Quickenborne er am frühen Dienstagmorgen. Er sei der Polizei im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit aufgefallen.

Im Juli 2016 wurden von einer ausländischen Polizeibehörde unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein radikalisiertes Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Dschihad ziehen wolle, wie van Quickenborne sagte. Solche Informationen gebe es zuhauf. Sie sei ohne Ergebnis überprüft worden. «Darüber hinaus gab es, soweit unseren Diensten bekannt, keine konkreten Hinweise auf eine Radikalisierung.»

Schwedische Staatsangehörigkeit als Motiv

Einige Medien berichteten, dass die Schüsse einen islamistischen Hintergrund haben könnten. In sozialen Netzwerken wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft ein Beitrag einer Person geteilt, die sich als der Angreifer ausgebe und behaupte, von der Terrororganisation Islamischer Staat inspiriert zu sein. Zudem wird im Internet ein Video geteilt, das die Tat zeigen soll.

Die Nachrichtenagentur Belga zitierte einen Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft, wonach auch die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer eine Motivation für die Tat sein könnte. In diesem Jahr hatten Menschen in Schweden und später auch in Dänemark mehrmals Koran-Exemplare verbrannt und damit wütende Reaktionen unter Muslimen ausgelöst. Für die skandinavischen Länder hatte all das diplomatischen Ärger nach sich gezogen.

Bisher keine Verbindung zwischen Tat und israelisch-palästinensischen Konflikten

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson rief seine Landsleute in Belgien zur Vorsicht und Wachsamkeit auf. De Croo drückte Kristersson sein aufrichtiges Beileid aus: «Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf.» Der Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft stellte allerdings klar, dass es bislang keine Verbindung zwischen dem Anschlag und dem israelisch-palästinensischen Konflikt gebe.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem «feigen Anschlag» und drückte den Menschen in Schweden ihr Beileid aus. Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf X: «Das Herz Europas wird von Gewalt getroffen. Mein Mitgefühl gilt den Familien der Opfer des tödlichen Anschlags im Zentrum von Brüssel.» Der belgische Königspalast zeigte sich «schockiert» und drückte seine «Unterstützung für die Sicherheitskräfte aus, die alles tun, um den Urheber der Taten zu fassen», hiess es auf X.

Der Rat der Muslime in Belgien verurteilte das Attentat. Er forderte die Behörden «zu grösster Entschlossenheit auf, um unsere nationale Gemeinschaft zu schützen und so schnell wie möglich Licht ins Dunkel zu bringen».

(sda/nib/gin)

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veröffentlicht: 17. Oktober 2023 05:55
aktualisiert: 17. Oktober 2023 18:10
Quelle: ZüriToday

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