Weniger, dafür schwerere Straftaten

27.03.2018, 15:50 Uhr
· Online seit 26.03.2018, 14:02 Uhr
Im FM1-Land gab es im vergangenen Jahr weniger Straftaten. Während Überfälle, Einbrüche und Diebstähle abnehmen, gibt es im Kanton St.Gallen immer mehr schwere und komplexe Straftaten.
Fabienne Engbers
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«Wenn wir zurückschauen, können wir ein positives Fazit ziehen», sagt Stefan Kühne, Leiter der Kriminalpolizei im Kanton St.Gallen. 24'545 Straftaten wurden in St.Gallen 2017 erfasst, 58 Prozent davon konnten aufgeklärt werden. Sowohl in St.Gallen, als auch im Thurgau und im Kanton Graubünden sinkt die Anzahl der Straftaten. Dies deckt sich mit der schweizweiten Kriminalstatistik, die ebenfalls am Montag erschienen ist. Neue Herausforderungen, vor allem im Bereich der Internetkriminalität, zwingen die Kantone aber zu künftigen Präventions- und Aufdeckungsmassnahmen.

Mehr schwere Straftaten

Im Kanton St.Gallen stieg 2017 die Anzahl Tötungsdelikte von 14 auf 18. Das entspricht einer Zunahme um 29 Prozent, also beinahe einem Drittel. Auch die Zahl der schweren Körperverletzungen stieg an. Dies gilt ebenfalls für den Kanton Graubünden, dort stieg die Zahl der schweren Gewaltstraftaten um sechs Fälle auf insgesamt 42. «Auch wenn die Kriminalität grundsätzlich abnimmt, werden die Fälle immer komplizierter», sagt Stefan Kühne.

Trotz steigender Komplexität wurden die schweren Straftaten sowohl im Kanton St.Gallen, als auch im Kanton Graubünden fast alle aufgeklärt. Im Graubünden liegt die Aufklärungsquote bei 100 Prozent, in St.Gallen bei 88.

Messerstecherei und Beil-Attacke bleiben in Erinnerung

Als besonders schwere Straftaten im Kanton St.Gallen nannte Kühne am Montag vor den Medien im Besonderen vier Fälle. «Sie mögen sich erinnern, im April schoss an einem Samstagabend ein Italiener mit einer Faustfeuerwaffe auf einen Landsmann.» Der Fall ereignete sich in Sargans vor dem Lokal Capannina. Der Täter wurde gefasst, das Opfer ist verstorben.

Ebenfalls eine schwerwiegende Tat war die Messerstecherei vor dem «Starbucks» in St.Gallen. «Ein Mann stürzte sich plötzlich auf einen anderen und schrie: ‹Ich bringe dich um.› Nur durch das beherzte Eingreifen einer Drittperson wurde die Gefährdung anderer verhindert», sagt Stefan Kühne. Auch hier verstarb das 22-jährige Opfer. Der Held, der in das Geschehen eingriff, wurde später von FM1Today-Lesern zu einem der Helden des Jahres gewählt. Wir haben nach der Tat mit ihm gesprochen.

Im Oktober stach in Bazenheid ein 28-jähriger Mann seinen Bruder nieder. Der Bruder schleppte sich in eine Arztpraxis, konnte dort aber nicht mehr gerettet werden. Offenbar eskalierte ein Streit zwischen den Brüdern. Auch hier ist der Täter gefasst und geständig.

Nur wenige Tage später war die Kantonspolizei St.Gallen in Flums mit einem Grossaufgebot vor Ort. Ein 17-Jähriger ging an einem Sonntagabend mit einer Axt auf zufällig ausgewählte Passanten los. Nur mit Schüssen konnte der junge Lette gestoppt werden. Er verletzte mehrere Menschen teilweise schwer, darunter auch eine Familie mit einem Baby. Alle Verletzten überlebten die Attacke.

Zahl der kleineren Delikte nimmt ab

Während die Zahl der schweren Delikte zunimmt, werden kleinere Delikte immer weniger. «Einbrüche und Raubüberfälle haben deutlich abgenommen», sagt Stefan Kühne. Die Zahl der Einbruchdiebstähle hat im Kanton St.Gallen um rund 20 Prozent abgenommen, bei den Raubdelikten gab es 2017 gar 30 Prozent weniger Strafanzeigen. Rund die Hälfte aller Raubdelikte im Kanton St.Gallen konnte aufgeklärt werden.

Auch im Kanton Thurgau gibt es immer weniger Delikte. Die Einbrüche gingen wie in St.Gallen um rund 20 Prozent zurück. In den vergangenen vier Jahren hat sich die Zahl der Einbrüche im Thurgau halbiert. «Wir haben gezeigt, dass wir über die geeigneten Instrumente verfügen, um Einbruchkriminalität wirksam zu bekämpfen», sagt Polizeikommandant Jürg Zingg.

Auch bei den Brandstiftungen gab es in St.Gallen einen klaren Rückgang. Im Jahr 2017 gab es nur noch halb so viele Brandstifungen wie im Vorjahr. Statistisch sei diese Aussage allerdings nicht zu erklären, meint Kühne.

Mehr Vergewaltigungen und härtere Drogendelikte

Wiederum mehr Fälle gab es im Bereich der Sexualdelikte. Während die Anzeigen wegen sexueller Nötigung und Belästigung zurückgehen, nehmen jene wegen Vergewaltigung zu. «Oft kommen die Geschädigten am nächsten Morgen und erstatten Anzeige wegen Vergewaltigung oder Verletzung der sexuellen Integrität», sagt Stefan Kühne. Die Straftaten haben um acht Prozent zugenommen. Die meisten Verzeigungen gibt es wegen Pornografie.

Die Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz haben insgesamt abgenommen, allerdings seien die schweren Taten mehr geworden, erklärt Kühne: «Der illegale Konsum von Drogen wurde seltener registriert. Zugenommen haben die Delikte wegen des Anbaus und Handels mit Drogen.» Im Jahr 2017 hat die Kantonspolizei St.Gallen mehr als 100 Kilogramm Cannabis beschlagnahmt, 7000 illegal angebaute Pflanzen wurden konfisziert. Ausserdem wurden in St.Gallen fünf Kilogramm Kokain und 22 Kilo Heroin sichergestellt.

Für die Zukunft sieht die Kantonspolizei St.Gallen vor allem Handlungsbedarf bei der Internetkriminalität. «Die Straftaten werden zwar weniger, die Ermittlungen, die dahinter stecken, werden aber immer komplexer. Dafür braucht es zunehmend Fachkräfte mit dem nötigen Know-how», sagt Kripo-Chef Kühne. Man wolle die Aufdeckungsrate bei Kriminalfällen weiterhin so hoch halten.

veröffentlicht: 26. März 2018 14:02
aktualisiert: 27. März 2018 15:50

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