Coronavirus

Drohen Engpässe bei Medikamentenlieferungen?

· Online seit 11.04.2020, 06:42 Uhr
Ein Grossteil der Wirkstoffe für Medikamente kommt aus dem asiatischen Raum. Nachdem die Lieferungen aus China sich langsam normalisieren, könnten neue Engpässe in Indien drohen, einem der weltweit grössten Produzenten von medizinischen Wirkstoffen.
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Indien wird auch die Apotheke der Welt genannt. Zahlreiche Wirkstoffe für Medikamente werden dort produziert. «Der ausländische Anteil dürfte sich in der Grössenordnung von 80 Prozent bewegen», schreibt der schweizerische Apothekerverband Pharmasuisse. Der Grund: In den asiatischen Ländern werden die Wirkstoffe günstig produziert, was der Tiefpreispolitik auf dem Schweizer Medikamentenmarkt entgegen kommt. Doch die Coronakrise hat auch die asiatischen Produktionsländer im Griff. Während sich China langsam vom Virus erholt, steht Indien noch am Anfang. Dies bereitet den hiesigen Apotheken Sorgen.

Indien als wichtiger Lieferant von Paracetamol

«Diese Problematik verfolgen wir aufmerksam», sagt Ursula Meier-Uffer, Präsidentin des Apothekerverbands St.Gallen und Appenzell. «Indien ist vor allem bekannt für die Herstellung von Paracetamol, einem Schmerz- und Fiebermittel. Wir haben deshalb schon vor der Coronakrise die Vorräte aufgestockt.»

Auf Paracetamol habe es in der letzten Zeit einen Run gegeben, der auf Falschmeldungen beruhe: «In den Sozialen Medien kursierten Gerüchte, welche besagten, dass Paracetamol besser gegen die Symptome des Coronavirus helfe, als andere Medikamente wie beispielsweise Ibuprofen. Wir waren froh, als der Bundesrat beschlossen hat, dass Medikamente nur für maximal zwei Monate gekauft werden dürfen. So konnten wir den Hamsterkäufen entgegenwirken», sagt Martina Fehr Präsidentin des Apothekerverbands Graubünden.

Lieferengpässe aus Indien sind möglich

Für den Moment gibt Martina Fehr aber Entwarnung: «Wir spüren aktuell noch keine Lieferengpässe aus Indien. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es noch soweit kommen wird. Die Coronakrise schränkt die Produktionen und Handelswege ganz klar ein.» Auch Ursula Meier-Uffer schaut der nächsten Zeit mit gemischten Gefühlen entgegen: «Ich bin vorsichtig optimistisch, was die nächsten Wochen und Monate angeht. Wir müssen aber wach bleiben und uns für allfällige Ausfälle von Rohstoffen bereithalten.»

«Situation ist sehr unbefriedigend»

Es habe aber schon vor der Coronakrise bei gewissen Medikamenten Lieferengpässe gegeben, sagt Martina Fehr. Europäische Produktionen seien zu teuer und die Preise für die Medikamente sollten immer weiter sinken. Das Billigprinzip ist Trumpf. «Diese Situation ist für uns sehr unbefriedigend. Es kann nicht sein, dass ein Antibiotikasirup günstiger ist als ein Kaffee im Restaurant.» Ursula Meier-Uffer bestätigt den Unmut: «Bei den Medikamentenpreisen dominiert das Motto Geiz ist geil.»

Diesem Umstand will auch der schweizweite Apothekerverband entgegenwirken: «Anstelle des kurzsichtigen Billigstprinzips, das viele Hersteller aus dem Schweizer Medikamentenmarkt vertreibt und die Versorgungsprobleme verschärft, fordert Pharmasuisse eine umfassende nationale Strategie in der Gesundheitsversorgung mit Rahmenbedingungen, die eine nachhaltige und gute Arzneimittelversorgung gewährleisten. Es ist höchste Zeit, zu handeln.»

veröffentlicht: 11. April 2020 06:42
aktualisiert: 11. April 2020 06:42
Quelle: FM1Today

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