Der Goldtänzer aus St.Gallen

· Online seit 24.12.2018, 11:48 Uhr
Herbert Klopfer vergoldet Bilderrahmen und restauriert wertvolle Kunstwerke. Jetzt schliesst der 80-Jährige sein Atelier in St.Gallen – doch seine Liebe zum Gold wird bleiben.
Praktikant FM1Today
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Vorsichtig pustet Herbert Klopfer die hauchdünne Goldscheibe vom Papier weg. Das wertvolle Metall schwebt auf das Vergolderkissen, wo es der 80-Jährige sorgfältig zuschneidet. Nur um es kurz darauf auf den Bilderrahmen zu legen. Die ganze Zeit über berührt er das Gold nicht mit seinen Händen – viel zu zerbrechlich ist das Edelmetall.

Herbert Klopfer arbeitet als Vergolder. «Ich mache jedoch keine Goldringe, sondern vergolde Bilderrahmen und Skulpturen.» Mal gross und prunkvoll, mal klein und verschnörkelt – die stundenlange Arbeit, die in den ausgestellten Rahmen steckt, ist unübersehbar. Klopfer muss wie ein Tänzer präzise arbeiten, auf Details achten – eine falsche Bewegung und sein Werk ist zerstört: «Es sind Nuancen, die entscheiden, ob ein Kunstwerk schön aussieht oder eben nicht.»

«Als ob der Vergolder schon Wein getrunken hat»

Nach 40 Jahren in St.Gallen schliesst Klopfer sein Atelier in St.Gallen per Ende Jahr. In seiner Laufbahn hat er schon einiges erlebt, auch einen Fehltritt der besonderen Art. Klopfer sollte einen speziellen Rahmen aus Weissgold für den Künstler Alois Carigiet, der den Schellenursli gezeichnet hat, herstellen. «Wir haben das Gold auf den Rahmen präzise und sorgfältig ausgelegt, als die Türe aufging.» Ein Windstoss erfasste die federleichten Goldblättchen und verteilte sie wild über den Rahmen. «Wir wollten sie gleich wieder sortieren, doch der Künstler stoppte das sofort», erklärt Klopfer lachend. Das sei sensationell, habe Carigiet damals gesagt. «Als ob der Vergolder schon einige Gläser Wein getrunken hat.»

Herbert Klopfer im TVO-Porträt:

Klopfer entdeckte auch schon selbst Kunst – jedoch mehr aus Versehen: «Während der Lehre mussten wir ein Bild noch reinigen. Dabei löste sich die Farbe.» Was dahinter zum Vorschein kam, war eine Sensation. «Ein echtes Bild des Malers Tizian, der im 16. Jahrhundert gelebt hat.»

Seit 40 Jahren in St.Gallen

60 Jahre lang hat Klopfer jetzt seinen Beruf ausgeübt, 40 davon in St.Gallen. «Es ist eine grosse Freude, wenn ein Kunstwerk gelingt. Besonders, wenn man auch die Freude der Kunden sieht.» Dazu komme auch eine Verantwortung für seine Skulpturen. «Es gibt ein gutes Gefühl, wenn man etwas schafft, wovon man weiss, dass es Jahrzehnte hält.»

Nach St.Gallen kam Klopfer, der seine Lehre im väterlichen Betrieb im Zürcher Seefeld absolviert und danach in Paris und Genf gearbeitet hatte, wegen des berühmtesten Gebäudes in St.Gallen: der Kathedrale. Dort durfte Klopfer am Orgelprospekt mitarbeiten. Kurz darauf liess er sich hier nieder und baute  sein Atelier auf. Natürlich achtet der Vergolder noch heute auf die Orgelpfeifen, wenn er den Dom besucht: «Es ist eine Genugtuung, wenn man sieht, dass die eigene Arbeit noch immer hält.»

Eiweiss und Brandtwein

Zum Vergolden braucht Klopfer nicht nur handfeste Materialien, sondern auch Lebensmittel. «Früher nutzten wir Eiweiss und Branntwein, um das Gold auf den Rahmen zu übertragen. Heutzutage tragen wir Alkohol und destilliertes Wasser auf.» Beim Vergolden wird das Gold entweder direkt auf den Rahmen oder auf ein Relief, das dem Rahmen die ausgefallenen Formen gibt, aufgetragen. Zum Schluss wird es dann mit dem Polierstein zum Glänzen gebracht.

Für aufwendigere Produkte arbeitet Klopfer schnell einmal hundert Stunden an einem Kunstwerk. Das schlägt sich im Preis nieder. Mehrere tausend Franken sind keine Seltenheit.

Unersetzliches Gold

Ende Dezember schliesst Klopfer die Türen an der Kirchgasse endgültig. Einen Nachfolger hat er nicht gefunden, obwohl man den Beruf weiterhin erlernen kann. «Es gibt den Trend, dass viele Leute billige Dinge kaufen, aber dafür nicht lange halten.» Gold hingegen sei das Material der Ewigkeit. «Es ist einfach unersetzlich.»

Das gesamte Inventar wird an der Kirchgasse 14 in St.Gallen noch bis Ende Dezember zu reduzierten Preisen angeboten.
FM1Today hat Herbert Klopfer im Rahmen der Serie «Die Letzten ihrer Art» besucht. Während des Dezembers werden weitere Persönlichkeiten, welche die letzten in ihrem Handwerk sind oder einen speziellen Beruf ausüben, vorgestellt. Alle Porträts im Überblick gibt es hier.
(tob)
veröffentlicht: 24. Dezember 2018 11:48
aktualisiert: 24. Dezember 2018 11:48

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