Frisierte E-Bikes rufen Polizei auf den Plan

09.08.2018, 05:39 Uhr
· Online seit 08.08.2018, 17:22 Uhr
Im Vorarlberg geht man davon aus, dass nicht weniger als ein Drittel aller E-Bikes frisiert sind. In der Schweiz ist der gefährliche Trend noch nicht angekommen, doch die Polizeien im FM1-Land sind auf der Hut.
Sandro Zulian
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«Wir wissen um das riesige Angebot von Tuning-Kits im Internet und vermuten, dass inzwischen ein Drittel aller E-Bikes illegal auf den Strassen unterwegs ist», sagt Rudolf Salzgeber, Leiter der Verkehrspolizei Vorarlberg, den «Vorarlberger Nachrichten». Tempoliebende E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrer bestellen sich im Internet eine Tuning-Box und umgehen so die Plombierung in den elektrischen Velos.

Polizeien im FM1-Land sind gewappnet

«Im Kanton St.Gallen haben wir diese Problematik noch nicht. Wir wissen aber dank Meldungen aus dem Ausland und aus anderen Kantonen, dass das irgendwann auf uns zukommen wird», sagt Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen. Der E-Bike-Boom sei sehr gross, deshalb habe man die Ausbildung der Beamten in diesem Bereich intensiviert. Ein frisiertes E-Velo ist den Beamten allerdings noch nie untergekommen.

Ähnlich klingt es aus dem Thurgau. Die hiesige Kantonspolizei kennt das Problem, sagt Mediensprecher Matthias Graf: «Das Phänomen ist bei uns auch bekannt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf diese Thematik sensibilisiert.» Aber auch im Thurgau: Kein einziger Fall eines getunten E-Bikes.

Bei der Kantonspolizei Graubünden ist das Problem ebenfalls nicht unbekannt, sagt Mediensprecher Roman Rüegg: «Das gibt es bei uns auch, wir führen dazu jedoch keine Statistik. Momentan sind bei uns diesbezüglich keine grösseren Auffälligkeiten zu verzeichnen.» Ob es sich wirklich um einen Drittel abgeänderter, also «getunter» E-Bikes, handle, könne man nicht abschätzen, sagt der Mediensprecher. Auch in den beiden Appenzell ist das Thema zwar bekannt, konkrete Beispiele allerdings fehlen auch hier.

Frisieren ist gefährlich

Im Internet gibt es einschlägige Tuning-Portale, die sich ausschliesslich auf das Frisieren von E-Bikes spezialisiert haben. «Fahrspass bis zu 100 km/h!», liest man etwa. Die Tuning-Boxen kosten zwischen 100 und 400 Franken. Die Polizeien warnen allerdings davor, sein E-Bike «abzuändern», sprich zu frisieren.

«Solche Abänderungen und die somit höheren erreichbaren Geschwindigkeiten bergen ein nicht unerhebliches Gefahrenpotenzial», sagt Roman Rüegg von der Kantonspolizei Graubünden. Ob die Bremsen eines auf 25 km/h ausgelegten E-Velos eine so hohe Geschwindigkeit abzubremsen vermögen, sei dahingestellt. Ausserdem hegen alle Mediensprecher erhebliche Zweifel, dass die Versicherungen nach einem möglichen Unfall auch zahlen.

«Im Grunde bescheisst man einfach das System»

Genau so sieht das auch Bruno Pfiffner von der Velo Pfiffner AG in St.Gallen. Schon seit 20 Jahren verkauft und wartet er im St.Galler Linsebühl-Quartier Elektrovelos. Pfiffner geht sogar noch einen Schritt weiter als die Vorarlberger Verkehrspolizei: «Ich glaube, in Vorarlberg werden weit mehr als ein Drittel der E-Bikes frisiert. Das ist dort Mode.» Für Pfiffner ist der Trend hin zum illegalen Tunen schlicht ein finanzieller: «Das ist eine Preisfrage. Die schnelleren E-Bikes (bis 45 km/h) müssen strenger überprüft werden, haben teils andere Lenker, Federgabeln, Reifen oder Rahmen.» Am Ende stehe zwischen der langsamen Kategorie (bis 25 km/h) und der schnelleren eine Preisdifferenz von drei- bis vierhundert Franken. Mit einem langsamen E-Bike, das getunt ist, lässt sich also Geld sparen. Auch die zahlreichen Tuning-Angebote kennt Pfiffner gut: «Im Internet kann man solche Kits bestellen, aber im Grunde bescheisst man so einfach das System.»

Rasende Grosis auf E-Bikes gibt es nicht

Pfiffner bietet in seinem Laden kein Tuning an. Es sei zu gefährlich: «Wenn irgend ein Schaden passiert und das Tuning auffliegt, dann haben wir keine Versicherung. Wenn jemand zwei Monate ins Spital muss, ist das ein schöner Betrag.» Einer, mit dem man sich womöglich mehrere E-Bikes leisten könnte. Getunte E-Bikes bergen laut dem Spezialisten Gefahren: «Vor allem dann, wenn die Bremsen oder der Rahmen zu schwach und nicht für diese Geschwindigkeiten ausgelegt sind.»

Aus der Welt schaffen will Pfiffner auch den hartnäckigen Irrglauben, wonach vornehmlich alte Omas mit dem E-Bike durch die Stadt rasen: «Dieses Bild des Grossmütterchens, das mit 45 Sachen umherrast, gibt es wirklich nicht. Zu einem E-Bike mit dieser Geschwindigkeit gehört eine sportliche Fahrweise.»

veröffentlicht: 8. August 2018 17:22
aktualisiert: 9. August 2018 05:39

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